STUTTGART. Die Schuldenorgie hat erste Auswirkungen. Vom sogenannten „Sondervermögen“ profitiert unter anderem der angeschlagene Mercedes-Konzern. Für seine traditionsreiche G-Klasse – Stückpreis ab 124.355 Euro – konnte der Autobauer einen nun zahlungskräftigen Kunden gewinnen: die Bundeswehr. Bis zu 5.800 dieser Fahrzeuge wird Mercedes liefern, das Auftragsvolumen beläuft sich auf rund 1,3 Milliarden Euro.
Auch andere Hersteller haben das Geschäft mit dem Militär für sich entdeckt. Volkswagen bietet sich bereits „beratend“ für militärische Fahrzeuge an, konkrete Gespräche sollen folgen. Indirekt fließen schon jetzt Millionen aus der Bundeswehr-Kasse nach Wolfsburg. Die Lkw-Tochter MAN gilt als etablierter Lieferant der Truppe. Zuletzt schloß die Firma einen Rahmenvertrag über 6.500 militärische Lkw mit Rheinmetall MAN Military Vehicles – allein die ersten 610 Stück schlagen mit 312 Millionen Euro zu Buche.
Hinzu kommen 1.500 geländegängige „Wechselladersysteme“ für weitere 920 Millionen Euro. Auch Schaeffler spricht offen von einem „interessanten Wachstumsfeld“. Familienunternehmen wie Trumpf oder Freudenberg erwägen ebenfalls, künftig für die Rüstungsbranche zu produzieren.
Dreiviertel der Autozulieferer wollen beim Aufrüsten mitmachen
Nicht nur Konzerne, auch zahlreiche Mittelständler hoffen auf Aufträge aus dem Verteidigungsetat. Allein in Sachsen fertigen bereits 180 Unternehmen für die Bundeswehr. In Mitteldeutschland, wo viele Firmen bislang als Automobilzulieferer tätig waren, gilt das „Sondervermögen“ als willkommene Chance in wirtschaftlich schwieriger Lage. „Die Automobilindustrie ist in schweren Fahrwassern. Da sind jeder Grashalm und Hoffnungsschimmer Gold wert“, erklärt Rico Chmelik vom Automobil-Netzwerk Automotive Thüringen.
Daß sich dabei kaum jemand offen als Rüstungsbetrieb zu erkennen geben möchte, versteht sich fast von selbst. Aus Sicherheitsgründen – und wegen der öffentlichen Wahrnehmung. Doch hinter vorgehaltener Hand heißt es vielerorts: „Was sollen wir denn machen?“ Eine Umfrage unter Thüringer Zulieferern zeigt, daß drei Viertel von ihnen gern mehr für die Verteidigungsindustrie fertigen würden. Auch in Sachsen sei die Stimmung ähnlich, so Chmelik. (rr)