Bereits zum zweiten Mal belegen Daten der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Standortnachteil Deutschlands, der früher ein Standortfaktor gewesen ist. Die Zahlen bilden die Versorgungssicherheit der Stromnetze für die Unternehmen ab. Diese verzeichnen eine zunehmende Zahl kurzzeitiger Stromausfälle insbesondere im produzierenden Gewerbe. Da Stromausfälle erst ab einer Länge von mehr als drei Minuten in die Statistiken der Bundesnetzagentur (BNetzA) einfließen, werden die kurzzeitigen Unterbrechungen, die aber für erheblichen Schaden sorgen, offiziell nicht erfaßt.
Das erinnert an die Deutsche Bahn, die Züge, die sechs Minuten zu spät ankommen, als „pünktlich“ bewertet. Dennoch waren über ein Drittel der ICE- und IC-Züge 2024 unpünktlich unterwegs – Tendenz steigend. Auch das Ergebnis der DIHK-Umfrage ist niederschmetternd: Mehr als 40 Prozent der Firmen verzeichnen jährlich Stromausfälle unter drei Minuten. Besonders betroffen ist die Industrie, wo die Hälfte der Betriebe solche Ausfälle erlebte. Längere Ausfälle über drei Minuten betrafen elf Prozent der Industriefirmen. Längere Datenreihen zeigen eine klare Zunahme von Versorgungsproblemen.
Die Ursachen der Ausfälle sind für die meisten Unternehmen nicht nachvollziehbar, die Netzbetreiber auf den unteren Spannungsebenen sind zudem oft selbst nicht in der Lage, die Sachverhalte aufzuklären. Lediglich die in den BNetzA-Statistiken zu den längeren Ausfällen angeführten Schäden durch Baumaßnahmen scheiden bei den Kurzausfällen auf Grund der Reparaturzeiten meist aus. Energieexperten gehen von ungeplanten Brownouts, also kurzzeitigen Stromausfällen oder starken Spannungsschwankungen eines örtlichen oder regionalen Netzbetreibers aus. Diese sind durch Redundanzen und Netzsteuerung (Redispatch) zeitnah auszugleichen, allerdings bleibt der Schaden der Unternehmen, der durch Netzbetreiber oder Versorger nicht ersetzt wird und auch kaum angemessen zu versichern ist.
Deindustrialisierung beschäftigt Energiefachmesse
Die finanziellen Auswirkungen von Stromausfällen sind erheblich. Industrieanlagen und Rechenzentren sind anfällig gegen Spannungsschwankungen und kurzzeitige Unterbrechungen. Den DIHK-Daten zufolge verursachten bereits die kurzen Ausfälle bei 32 Prozent der Unternehmen Kosten von bis zu 10.000 Euro. 15 Prozent berichteten von Kosten zwischen 10.000 und 100.000 Euro, und bei zwei Prozent lagen die Verluste sogar darüber. Produktionsausfälle, Maschinenschäden und Datenverluste sind die häufigsten Folgen.
Erschwerend kommt hinzu, daß klassische Maßnahmen gegen Versorgungsausfälle, wie etwa Notstromaggregate, erst nach dem Schaden durch die Versorgungsunterbrechung anspringen und bereits bei Produktionen mittlerer Größe so hoch dimensioniert sein müßten, daß sich diese Investition nicht lohnt. Trotzdem haben bereits 46 Prozent der Firmen im Bereich der Absicherung gegen längere Stromausfälle investiert oder befinden sich in der Umsetzung. Investitionsmittel, die der schrumpfenden deutschen Wirtschaft an anderer Stelle fehlen.
Laut dem DIHK-Energiewende-Barometer denken vier von zehn Firmen darüber nach, ihre Fertigung wegen der Energiepreise einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern. Besonders betroffen sind energieintensive Industrien wie Chemie, Stahl, Glas und Papier, aber auch Rechenzentren und Autohersteller. Die Zahlen der Versorgungsunterbrechungen, der Abwanderungsplanungen, der Insolvenzen und der Deindustrialisierung sind daher Themen auf der Energiefachmesse E-World ab 11. Februar in Essen. Die dort versammelten Unternehmen profitierten gern von der Subventionspolitik der „Energiewende“ – doch eine praktikable Lösung für die Integration des volatilen Sonnen- und Windstrom ins komplexe Energienetz eines Industrielands wird sich auch hier nicht finden.