BRÜSSEL. Die EU-Kommission hat den Plan von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), neue Gaskraftwerke zu bauen, offenbar eingedampft. Statt der vom Ministerium avisierten Kapazität von 20 Gigawatt erlaubt die EU-Kommission nach Spiegel-Informationen nur Kraftwerke mit einer Leistung von etwa zwölf Gigawatt. Die von Reiche geforderten 20 Gigawatt würden demnach gegen das europäische Beihilferecht verstoßen, da staatliche Zuschüsse erforderlich wären.
Reiche hatte bei ihrem Amtsantritt angekündigt, „mindestens 20 Gigawatt“ durch Gaskraftwerke bereitzustellen, „wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint“. Ihr Vorgänger Robert Habeck (Grüne) beabsichtigte ursprünglich den Bau neuer Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 23,8 Gigawatt, um Deutschland vor einer möglichen Dunkelflaute zu schützen.
Gaskraftwerke sollen Defizite von Erneuerbaren ausgleichen
Bereits Habeck mußte sich wegen beihilferechtlicher Bedenken der EU-Kommission auf Kraftwerke im Umfang von voraussichtlich 12,5 Gigawatt beschränken. Dabei seien für reine Gaskraftwerke fünf Gigawatt vorgesehen gewesen. Die weiteren 7,5 Gigawatt seien im Gegensatz zu Reiches Plänen aber für den Bau von wasserstofffähigen Anlagen, Wasserstoffkraftwerken sowie Langzeitspeichern beabsichtigt worden.
Die von Beginn an als Rückversicherung geplanten Anlagen sollten Defizite ausgleichen, wenn durch Wind- und Sonnenenergie nicht genügend Strom produziert wird. Allerdings wären die nur bei Bedarf laufenden Kraftwerke wirtschaftlich nicht tragfähig gewesen. Die deshalb nötigen staatlichen Subventionen müßten folglich durch Brüssel abgesegnet werden.
Gutachten warnte Reiche
Zuvor war bereits ein Anfang Oktober veröffentlichtes Gutachten für die Deutsche Umwelthilfe zu dem Ergebnis gekommen, daß die Pläne Reiches nicht mit dem EU-Beihilferecht vereinbar seien. „Fossile Gaskraftwerke: Förderung verstößt gegen EU-Recht“, heißt es in dem Rechtsgutachten der Kanzlei K&L Gates. Moniert wird darin vor allem, daß sich Reiche bei dem Kraftwerkausbau so gut wie nur auf Gaskraftwerke beschränke.
Zudem würden regionale Förderprogramme der Bundesregierung wie der sogenannte Südbonus, der vornehmlich Investitionen im Süden Deutschlands attraktiv machen soll, dem Gutachten zufolge den Wettbewerb verzerren und den EU-Vorgaben widersprechen.
Auch der Plan Reiches, in diesem Jahr den Bau von Gaskraftwerken ausschreiben zu lassen, wurde von Brüssel durchkreuzt. Laut dem Spiegel würden frühestens im Frühjahr 2026 die ersten Projekte ausgeschrieben werden.
Druck auf Bundesregierung wächst
Derweil verbucht das Wirtschaftsministerium die Verhandlung mit der EU-Kommission als Teilerfolg. Schon im August sagte Reiche, „bislang signifikant mehr als die Hälfte“ der geforderten 20 Gigawatt ausverhandelt zu haben. Dies sei als Signal zu verstehen gewesen, die angestrebte Kapazität nicht zu erreichen.
Der Ausbau von Gaskraftwerken soll auch den Wegfall der Kohlekraftwerke kompensieren, die voraussichtlich bis 2038 sukzessive vom Netz gehen. Durch diese werden bislang rund 30 Gigawatt bereitgestellt. Neugebaute Gaskraftwerke gelten daher ebenfalls als Voraussetzung für den flächendeckenden Kohleausstieg.
Das bevorstehende Importverbot von russischem Erdgas ab 2027, das die EU-Energieminister am Montag in Luxemburg beschlossen, dürfte den Druck auf die Bundesregierung zusätzlich erhöhen, neue Energiequellen sicherzustellen. (rsz)