Vor sieben Jahren erklärte das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig (1 BvL 11/14, 1 BvR 889/12). Die danach erfolgte große Grundsteuerreform ist jetzt in der Vollzugsphase. Die Mehrheit der Grundstückseigentümer hat bereits ihren neuen Grundsteuerbescheid erhalten, aus dem hervorgeht, wieviel sie in Zukunft zu zahlen haben. Die neuen Grundsteuerwerte liegen in der Regel drastisch höher als die alten Einheitswerte, aber das sollten die Gemeinden zumindest in der Theorie durch eine aufkommensneutrale Anpassung ihrer Hebesätze ausgleichen.
So wurde es den Bürgern 2019 von dem damaligen SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz anläßlich einer Veranstaltung des Eigentümerverbandes Haus & Grund versprochen: „Ich versichere Ihnen, daß es nicht zu einem höheren Steueraufkommen kommen wird.“ Dieses Versprechen zu Lasten Dritter, nämlich der Kommunen, hat die gescheiterte Ampelregierung jedoch keineswegs dazu veranlaßt, irgend etwas gegen die seit 2023 abstürzenden Gemeindefinanzen zu unternehmen. Die Kommunen kommen durch immer neue, vom Bund übertragene, und nicht ausfinanzierte Aufgaben und immer höhere Standards immer mehr unter finanziellen Druck.
Sozialleistungen sind großer Kostenfaktor
Dazu kommen Preissteigerungen bei den Sachausgaben und Investitionen sowie kräftige Tariflohnerhöhungen, und seit kurzem mehren sich die Anzeichen für einbrechende Gewerbesteuereinnahmen. Im Jahr 2024 betrug das Finanzierungsdefizit der Gemeindehaushalte in Deutschland 24,8 Milliarden Euro – ein Anstieg um 18 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Das war das höchste kommunale Defizit seit der Wiedervereinigung 1990. Der größte Ausgabentreiber waren wieder einmal die Sozialleistungen, die 2024 um mehr als 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt haben.

Die klammen Gemeinden brauchen jetzt jeden Euro, um ihre Defizite zu begrenzen und die freiwilligen Leistungen etwa in den Bereichen Kultur und Sport so gut es geht aufrechtzuerhalten. Die Schulden, die die Kommunen heute aufnehmen müssen, werden sich in der Zukunft in höheren Zinsausgaben niederschlagen und ihre finanziellen Spielräume noch weiter verengen. Vor diesem Hintergrund war kaum zu erwarten, daß sich alle Kommunen an das zu ihren Lasten abgegebene Versprechen von Scholz halten würden.
Die Belastungen nehmen zu
Was sich allerdings nach der aktuellen, von Haus & Grund durchgeführten, bundesweiten Umfrage unter privaten Immobilieneigentümern abzeichnet, sind kräftige Belastungserhöhungen auf breiter Front. Laut der Erhebung, an der 1.999 Eigentümer teilnahmen, liegt der Median der Grundsteuerbelastung im Jahr 2025 bei 654 Euro, gegenüber 390 Euro im Vorjahr. Der Mittelwert nahm von 522 Euro auf 830 Euro zu. Das ist ein Anstieg von 60 Prozent.
79 Prozent der antwortenden Eigentümer berichteten von Mehrbelastungen, während lediglich 21 Prozent eine Entlastung angaben. In den Fällen, in denen die Belastung stieg, betrug der durchschnittliche prozentuale Anstieg erstaunliche 136 Prozent. Hart getroffen hat es auch die Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern, die 2025 durchschnittlich 747 Euro zahlen werden, im Vergleich zu 463 Euro im Jahr 2024 – ein Anstieg von 61 Prozent. Für die Fälle mit Belastungszuwächsen lag die Steigerung sogar bei 139 Prozent.
Der Bürger dient als Melkkuh
Wie die meisten Umfragen genügt auch diese nicht den strengsten Anforderungen an die Repräsentativität: Eigentümer mit besonders hohen Belastungen haben sich möglicherweise intensiver beteiligt. Auch sind ostdeutsche Flächenländer kaum vertreten, während NRW und Hamburg deutlich überrepräsentiert sind. Trotzdem verdeutlichen die Zahlen, daß die Reform der Grundsteuer für viele Eigentümer erhebliche negative finanzielle Folgen haben wird.
Die Grundeigentümer, Häuslebauer und jene Mieter, die die Grundsteuer vertragsmäßig mitbezahlen müssen, sind aber nicht die Melkkuh der Nation. Sie haben in den letzten Jahren bereits gewaltige finanzielle Belastungen verkraften müssen. Man denke an die steigenden Energiepreise, die steigende CO₂-Abgabe, die kostentreibenden Anforderungen an die Gebäudesanierung, die mietrechtlichen Verschärfungen wie die Mietpreisbremse und die Absenkung und Kappung der Modernisierungsumlage, die von den Ländern immer höher geschraubten Grunderwerbsteuersätze, die seit 2021 vervierfachten Hypothekenzinsen und nicht zuletzt die Inflation am Bau. Diese äußert sich unter anderem in seit Jahren unaufhaltsam steigenden Gebäudeversicherungsprämien.
Der Baupreisindex für neu gebaute Wohngebäude liegt jetzt ein Drittel höher als 2021. All diese Belastungen waren begleitet von der kompletten Einstellung der Wohneigentumsförderung für breite Schichten und ständigen Kürzungen bei der Förderung von energieeffizienten Sanierungs- und Neubaumaßnahmen.
Die Grundsteuerreform untergräbt das Vertrauen in die Politik
Die massive Erhöhung der Grundsteuerbelastung erweist sich für viele private Grundeigentümer als der sprichwörtliche Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Nach Jahren stetig steigender finanzieller Belastungen ist sie weit mehr als eine ärgerliche Zusatzlast, wenn die versprochene Aufkommensneutralität nicht eingehalten wird. Die Reform hat bei den privaten Grundeigentümern eine Welle des Unmuts ausgelöst. Die große Zahl der Widersprüche gegen die Bescheide spricht Bände.
Die Grundsteuerreform wird als ein gebrochenes Versprechen wahrgenommen, und das Vertrauen gegenüber politischen Zusicherungen schwindet weiter. Die Botschaft aus den Reihen der Eigentümer ist klar: So kann es nicht weitergehen. Das Immobilieneigentum, ob vorhanden oder geplant, muß von der neuen Bundesregierung umfassend entlastet werden. Das ist auch im Sinne der Mieter, die einen großen Teil der Lasten über die Miete und die Betriebskosten tragen müssen. Die Kostenspirale muß sich endlich in die andere Richtung drehen.