Das Ziel scheint EU-weit eindeutig: Abschreckung durch Aufrüstung. Doch es fehlen die Mittel. Deren Beschaffung durch Sozial- und Subventionskürzungen erzeugt Widerstand. Die Lösung lautet daher Kreditfinanzierung – obgleich die Verteidigung als staatliche Kernaufgabe durch Steuern bestritten werden sollte. Doch Zusatzkredite für hochverschuldete Staaten wie Frankreich sind teuer, zudem drohen nationale und EU-Schuldenregeln einen Strich durch die Rechnung zu machen. In der Entschließung des Europaparlaments vom 7. Mai zum EU-Haushalt 2028 bis 2034 wird deshalb eine gemeinsame Kreditaufnahme als „geeignetes Instrument zur Bewältigung europaweiter Krisen – etwa im Bereich Sicherheit und Verteidigung – angesehen“. Bis 2028 sind bislang nur 31 Milliarden Euro an EU-Geldern für Verteidigung vorgesehen.

Mindestens drei rechtliche Schranken haben zukünftige Finanzierungsinstrumente zu beachten. Gemäß Artikel 310 AEU-Vertrag darf die EU keine Kredite aufnehmen, denn „der Haushaltsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen.“ Daher darf die EU zwar die Waffenentwicklung mitfinanzieren, nicht aber operative Ausgaben „mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ (Artikel 41 EU-Vertrag).
Die Mitgliedsstaaten haften
Nach neuerer Auslegung des Juristischen Dienstes des EU-Rates sind zwar Gelder für Militäreinsätze verboten, nicht aber für Waffenkäufe, soweit sie nicht im direkten Zusammenhang mit Militäroperationen stehen. Sodann könne jeder EU-Staat „die Maßnahmen ergreifen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen“ (Artikel 346 AEUV). Insofern kann kein Mitgliedstaat zur Teilnahme an einem entsprechenden Instrument gezwungen werden.
Im Rahmen der Rüstungsinitiative ReArm Europe haben zwölf EU-Staaten, darunter Deutschland, die nationale Ausweichklausel (NEC) beantragt, nach der sie bis 2028 zusätzliche Verteidigungsausgaben von jährlich 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) kreditfinanzieren können, ohne daß diese auf die Schuldenstandsquote angerechnet werden. Doch es bleiben weiterhin nationale Kredite. Deshalb will die EU hochverschuldeten Staaten 150 Milliarden Euro als Kredit bereitstellen, für die sie mit ihren künftigen Eigenmitteln garantiert. Dies entspricht 0,8 Prozent des EU-27-BIP und könnte die Rüstungsdefizite zum Zwei-Prozent-Nato-Ziel für manche Staaten auffüllen.
Es wären EU-Gemeinschaftskredite, für die letztendlich die Mitgliedstaaten aufkommen müssen. Wie folgendes Beispiel zeigt, geht damit eine Zinssubvention auf Kosten der Niedrigzinsländer einher. So lag die Rendite einer zehnjährigen EU-Anleihe am 10. März bei 3,41 Prozent. Entsprechende deutsche Anleihen lagen mit 2,81 Prozent darunter, spanische (3,52), französische (3,59) und italienische (3,86) darüber. Ein italienisches Rüstungsprojekt von zehn Milliarden Euro würde so mit 45 Millionen Euro jährlich unterstützt. Dies erscheint jedoch nur als mäßiger Anreiz, weshalb ein vom polnischen Ratsvorsitz für das informelle Treffen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister am 12. April 2025 bestelltes Papier der Brüsseler Denkfabrik Bruegel wesentlich weiter führt.
Brüssel plant freiwillige Beteiligung
Die Autoren schlagen einen Verteidigungsmechanismus (European Defence Mechanism/EDM) vor. Vorbild ist der 2013 errichtete Euro-Rettungsschirm ESM, der ein Stammkapital von 708,5 Milliarden Euro hat, für das Deutschland mit 189,5 Milliarden Euro haftet. Der ESM für Rüstung wäre ein Fonds, dessen Bonität ebenfalls durch das eingezahlte Kapital und Garantien der Staaten sichergestellt würde. Der Fonds könnte damit Gemeinschaftsanleihen zur Finanzierung gemeinsamer Rüstungskäufe auflegen, für welche die Mitgliedstaaten entsprechend ihrem Anteil gesamtschuldnerisch haften müßten. Ähnlich den ReArm Europe-Krediten würden einzelne Länder von Zinsvorteilen profitieren. Um das Volumen des Fonds abzuschätzen, bietet das kaufkraftbereinigte Nato-Globalbudget von 1,47 Billionen Dollar eine Orientierung, das dem Niveau von 2002 entspricht.
Für neue Ausrüstung, Schutz kritischer Infrastrukturen und Ukraine-Hilfen wird ein Finanzbedarf von mindestens 535 Milliarden Dollar als notwendig angesehen. Als Einkaufsgenossenschaft organisiert, würden Rüstungsbeschaffungen zentralisiert geplant, ausgeschrieben, beschafft – und auf Kredit finanziert. Der „Beschaffungsnationalismus“ hat bei großen Waffensystemen von Heer, Luftwaffe und Marine (Stand 2017) in Europa 254 Systeme hervorgebracht, fünfmal so viele wie in den USA mit 51. Damit verbundene Probleme wie eine mangelnde Kompatibilität im Einsatz (Kommunikation, Munition) und die Monopolmacht nationaler Anbieter könnten gelöst werden. Das vorgeschlagene Regelwerk sieht ein Verbot staatlicher Beihilfen vor, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und die Vorteile des EU-Binnenmarktes auch im Rüstungssektor zu realisieren.
Der EDM würde auf völkerrechtlicher Grundlage beruhen, die eine freiwillige Beteiligung mit Opt-out (nicht mitmachen) ermöglicht. Somit wäre er keine EU-Institution, so daß Länder wie Ungarn die Opt-out-Möglichkeit nutzen könnten, während er Nicht-EU-Ländern wie Großbritannien und Norwegen offenstehen würde. Insofern ist der Bruegel-Vorschlag eine innovative Initiative, um das Dilemma einer Kreditfinanzierung von Rüstungsbeschaffungen unter Beteiligung von EU-Staaten und bei Einhaltung rechtlicher Verbote zu lösen. Gerade mit Blick auf Deutschland dürften jedoch zwei verfassungsrechtliche Bedenken fortbestehen. Zum einen könnte die Fondshaftung gegen das Nichtbeistandsgebot (Artikel 125 AEUV) verstoßen. Zum anderen wäre die als national definierte Zuständigkeit für die Verteidigungspolitik durch das Gemeinschaftsinstrument tangiert.
Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.