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Politische Kampagne: Unternehmensführer positionieren sich gegen die AfD

Politische Kampagne: Unternehmensführer positionieren sich gegen die AfD

Politische Kampagne: Unternehmensführer positionieren sich gegen die AfD

Viele Unternehmen warnen öffentlich vor der AfD. Dazu gehören etwa Roland Busch und die Siemens AG oder Ola Källenius von Mercedes.
Viele Unternehmen warnen öffentlich vor der AfD. Dazu gehören etwa Roland Busch und die Siemens AG oder Ola Källenius von Mercedes.
Roland Busch, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Zahlreiche Unternehmer positionieren sich gegen die AfD Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
Politische Kampagne
 

Unternehmensführer positionieren sich gegen die AfD

Dax-Konzerne, Arbeitgebervertreter und der DGB wollen mehr EU, mehr sogenannte Diversität und ein „Weiter so!“ bei der Masseneinwanderung. Gemeinsam agitieren sie gegen die AfD.
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Wen würde ChatGPT bei der EU-Wahl ankreuzen? Laut Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung wohl die woke Partei Volt Europa, die linke Tierschutzpartei oder die Grünen, denn mit denen hat das auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhende US-Dialogsystem zwischen 88,6 und 84,8 Prozent Übereinstimmung. Union und FDP kommen immerhin auf 56,1 bzw. 60,6 Prozent. Um die AfD würde die deutschsprachige Version von ChatGPT einen großen Bogen machen, denn hier liegt die Übereinstimmung bei nur 17,4 Prozent. Das ergab ein wissenschaftliches Experiment des Finanzökonomen Christian Rieck, das der Professor für Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences auf seinem Youtube-Kanal zur Spieltheorie veröffentlichte.

In Umfragen sieht es anders aus. Da liegt die zweitgrößte Oppositionspartei stabil auf Rang zwei. Das mißfällt nicht nur Ampelpolitikern: „Jedem Unternehmer, jedem Arbeitnehmer muß klar sein: Die AfD schadet Deutschland.“ So warnte CSU-Generalsekretär Martin Huber im Handelsblatt. Die AfD „schadet unserer Volkswirtschaft, unserer Gesellschaft, unserer Zukunft“, echote der CDU-nahe Christian Kullmann, seit 2017 Chef der Evonik Industries AG (Ex-Ruhrkohle) in der Süddeutschen Zeitung. Und für FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai stellt die AfD „ein ganz erhebliches Risiko“ für den Erfolg der deutschen Wirtschaft dar, weshalb er deren Vertreter auffordert, „die von der AfD ausgehenden Gefahren klar zu benennen“.

Multimilliardär Reinhold Würth prescht vor

Der SPD-hörige Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und sein einstiger Konterpart, der Arbeitgeberverband BDA, warnen in einer gemeinsamen Erklärung: „In Zeiten, in denen Populisten und Extremisten die Demokratie angreifen und das Vertrauen in unser politisches System zu untergraben versuchen, müssen wir Flagge zeigen.“ Gemeinsam wolle man alle Unternehmen und Betriebe sowie die Betriebs- und Personalräte ermutigen, „für die Demokratie zu werben und sie wo nötig entschlossen zu verteidigen“, ohne die AfD jedoch schriftlich zu erwähnen.

Wissenschaftliche Rückendeckung für ein aktives Bekenntnis gegen die Oppositionsparteien AfD und auch das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) liefert eine Studie des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), nach der ein Großteil (77 Prozent) der 905 befragten Geschäftsführer, Vorstände oder Leiter von Strategieabteilungen ein langfristiges Erstarken der AfD für gefährlich für den Bestand der EU und des Euro hält. 54 Prozent gaben an, es sei eine betriebsinterne Positionierung gegen die AfD oder – bei 47,3 Prozent – eine öffentliche Stellungnahme erfolgt. „Die Ergebnisse zeigen, daß Unternehmen in dieser wichtigen Frage ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden“, kommentiert Matthias Diermeier, Geschäftsführer der neuen IW Gesellschaftsforschung gGmbH und Leiter des „Kooperationsclusters Demokratie, Gesellschaft, Marktwirtschaft“, das Umfrageergebnis.

Auch wenn Knut Bergmann, Leiter des IW-Hauptstadtbüros, in der Rheinischen Post zugestand, daß „wir nicht 1932 haben“ und „Alice Weidel nicht Adolf Hitler“ sei, machen speziell Diermeier und IW-Direktor Michael Hüther bei jedem Medienkontakt heftig mobil gegen die AfD. Der 89jährige schwäbische Unternehmer Reinhold Würth, laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes mit einem Vermögen von 35 Milliarden Dollar auf Rang 47 der globalen „Billionaires List“, rechnet ab 2025 zwar mit einer schwarz-roten oder schwarz-grünen Koalition, er warnte aber im März in einem Schreiben an seine 27.000 Mitarbeiter eindringlich: „Bloß wegen ein bißchen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig“, so der Firmenpatriarch.

EU-Wahl-Kampagne „Wir stehen für Werte“

Zwei Dax-Konzerne, die vor 80 Jahren nicht im Widerstand waren, wollen nicht nur den eigenen Mitarbeitern ins Gewissen reden, sondern via FAZ einem etwas größeren Publikum: „Krude Gedanken wie Remigrationspolitik und Ausländerfeindlichkeit überschreiten eine rote Linie“, erklärte Siemens-Chef Roland Busch ohne jeden Beleg vorige Woche in der FAZ. „Es gibt immer dann eine Drift zu den Extremen, wenn die Dinge im Umbruch sind, wenn die Wirtschaft unter Druck gerät und auch wenn die Migration einen negativen Beigeschmack hat, weil sie schlecht gemanagt ist.“ Das sei aber kein Grund, AfD zu wählen, deshalb „müssen wir jetzt aufstehen und einschreiten“, so der 59jährige Physiker aus Erlangen.

Mercedes-Chef Ola Källenius argumentiert im selben FAZ-Interview mit seinen „114.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 121 Nationen“: Das Werk in Sindelfingen und „die ganze Stadt und Region haben enorm von Zuwanderung profitiert, von den ersten Gastarbeitern bis zu unserer vielfältigen Belegschaft heute“. Allerdings muß man bei Mercedes wie bei Siemens die Mitarbeiter aus den Hauptasylländern Syrien, Afghanistan, Irak oder Somalia mit der Lupe suchen. Und Autos wurden von denen „auch nicht entwickelt“. Dennoch beteiligt sich Mercedes „an Kampagnen, wir informieren, wir versuchen für Aufklärung zu sorgen, wir gehen in Betriebsversammlungen“, und man setze „klare Grenzen mit klaren Verhaltensregeln“.

Deswegen finanzieren die beiden Dax-Konzerne zusammen mit 33 weiteren Großunternehmen – darunter BMW, Ford, Henkel, „Marlboro“-Hersteller Philip Morris, Thyssenkrupp und VW – sowie dem DGB und dem Industrieverband BDI die EU-Wahl-Kampagne „Wir stehen für Werte“, die sich mit ihren firmeninternen „Diskussionsrunden, Workshops, Townhalls, Videobotschaften und Informationsveranstaltungen“ nicht nur an die „rund 1,7 Millionen Mitarbeitenden der Unternehmen“ richten. Denn „ohne Diversität sind Innovation und Erfolg im globalen Wettbewerb nicht denkbar“, behauptet BASF-Chef Markus Kamieth auf der am 7. Mai gestarteten Kampagnenseite.

Treibt die Ampel die Wähler zur AfD?

„Die kommende Europawahl ist entscheidend“, mahnt Bosch-Geschäftsführer Stefan Hartung. Und Wolf-Dieter Adlhoch, einst Büroleiter des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), deutet an, um was es den Unternehmensführern wirklich geht – Masseneinwanderung, damit die Lohnforderungen der länger hier Lebenden im Zaum bleiben: „Für viele ist ihre Arbeit bei uns, zum Beispiel in der Gebäudereinigung oder der Altenpflege, der Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt und somit der Schlüssel zu einer gelungenen Integration“, so der Chef der Dussmann Group.

Nachdenklicher äußert sich der Geldadel im Handelsblatt: Man dürfe die AfD „nicht einfach ignorieren, sondern man müsse sie mit Argumenten schlagen“, glaubt Jeanette zu Fürstenberg, Gründungspartnerin des mit General Catalyst fusionierten Risikokapitalfonds Venture-Capital-Fonds La Famiglia, deren Büro sich im Bodenseekreis befindet, in dem auch Alice Weidel Wohnsitz und Wahlbezirk hat. Auch Marie-Christine Ostermann, frühere FDP-Politikerin und seit 2023 Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer, setzt eher auf Argumente, denn wokes Manager-Sprech. Ihr Verband hat sich in zwei Analysepapieren nicht nur mit der AfD, sondern auch der Wirtschaftspolitik der Ampel-Regierung auseinandergesetzt.

Das Fazit: Die EU-Austrittsdrohung und das „unfinanzierbare Rentenkonzept“ der AfD seien „die schwerwiegendsten Beispiele für eine standortfeindliche Politik“, doch die Bundesregierung habe mit ihrem Gebäudeenergiegesetz (GEG/„Heizungshammer“) oder dem Bürgergeld viele Wähler in die Arme der AfD getrieben, die „den Staat als zunehmend übergriffig wahrnehmen“. Die fatalen Fehler würden „teils aus eigener Ideologie, teils aus Unverständnis über die marktwirtschaftlichen Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage“ resultieren und ebenso aufgrund „eines Menschenbildes, das den bürokratischen Obrigkeitsstaat zur Umerziehung braucht“, kritisiert Ostermann: „Die beiden großen Ampelparteien sind am lautesten bei der Verdammung der AfD – aber stärken genau diese Partei mit ihrer konkreten Politik.“

Das EU-Parlament selbst ist auf seiner Wahlseite wie der Wahl-O-Mat parteipolitisch neutral. Es wird sogar darauf hingewiesen, daß es in Deutschland – anders als bei Bundes- und Landtagswahlen, „derzeit keine Sperrklausel bei der Europawahl“ gibt.

Jf 23/24

Roland Busch, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Zahlreiche Unternehmer positionieren sich gegen die AfD Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
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