KIEW/LONDON. Schätzungen zufolge hat Rußland die G7-Sanktionen auf den Ölexport größtenteils umgangen. Der Anteil an Rohöllieferungen, die die im Dezember 2022 eingeführte Preisobergrenze von 60 US-Dollar je Barrel überschritten haben, stieg laut einem Bericht der Financial Times auf nahezu drei Viertel. Im Frühling diesen Jahres betrug dieser Anteil noch rund 50 Prozent. Nach Angaben der Zeitung bedeutet diese Steigerung, Moskau sei zunehmend erfahren im Umgang zur Vermeidung des Preisdeckels. Dies erlaube dem Land, mehr Öl zu globalen Marktpreisen zu verkaufen.
Laut einer Analyse der Wirtschaftshochschule Kiew fallen die Öleinnahmen Rußlands im Gesamtjahr 2023 durch Umgehung der Sanktionen sowie steigende Marktpreise um 15 Milliarden Dollar höher als erwartet aus. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges hätten die handelspolitischen Maßnahmen der westlichen Staaten gegen das Land zwar 100 Milliarden Dollar gekostet, allerdings habe Moskau eine sogenannte „Schattenflotte“ an Tankern ausgebaut, die an westlichen Dienstleistern und Versicherern vorbei operiere.
Rußland kündigt Exportverbote an
Zugleich ging die Menge des verkauften Rohöls zurück. So exportierte Rußland rund 2,5 Millionen Barrel pro Tag im August des laufenden Jahres, während diese Zahl im Mai um ein Fünftel höher gelegen habe, berichtete das Blatt. Hinzu kommen weitere Einschränkungen: Am Donnerstag hatte der Kreml Benzin- und Dieselexporte an alle Länder außerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion verboten. Zu dieser gehören Weißrußland, Kasachstan, Armenien und Kirgisistan.
Die Maßnahmen sollen offiziell „den Treibstoffmarkt sättigen“, erklärte Moskau. Doch nach Angaben der Financial Times befürchten die Experten, daß Rußlands Präsident Wladimir Putin damit versucht, den Ölmarkt zu destabilisieren. Ein Präzedenzfall dafür seien Gaslieferungsverbote im vergangenen Jahr. Die Ausfuhrverbote könnten temporär die Einkünfte reduzieren, aber zu höheren Preisen für geringere Mengen führen, merkte die Zeitung an. (kuk)