„Auch wenn die Stimmung eine andere ist. Deutschland ist auf dem Weg zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt“, twittert Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter der FDP und als früherer „Eurorebell“ bundesweit bekannt geworden. Grundlage seiner Freude ist eine Vorhersage des Internationalen Währungsfonds (IWF) für 2023, die allerdings nur auf rein nominalen Werten der Wirtschaftsleistung beruht.
Auch wenn die Stimmung eine andere ist. Deutschland ist auf dem Weg zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt. https://t.co/3Pr7yGez3V
— Frank Schäffler (@f_schaeffler) October 28, 2023
Denn um das Bruttoinlandsprodukt zwischen verschiedenen Ländern überhaupt vergleichen zu können, muß es auf eine einheitliche Währungsbasis umgerechnet werden. Üblicherweise nimmt man dafür den Dollar, womit aber die jeweiligen Wechselkurse entscheidenden Einfluß auf die Ergebnisse bekommen. Und deren Entwicklung in der jüngsten Zeit hatte es in sich: Während nämlich der Euro gegenüber dem Dollar zuletzt leicht an Wert zugenommen hat, ist der japanische Yen gegenüber der amerikanischen Währung regelrecht abgestürzt.
Yen verliert massiv an Wert
Damit aber hat sich auch sein Wert gegenüber dem Euro dramatisch verschlechtert: Mußte man für einen Euro im Frühjahr 2020 gerade mal 115 Yen bezahlen, sind es derzeit 160 Yen. Dementsprechend niedriger erscheint nun auch das japanische Bruttoinlandsprodukt, wenn man es in Euro oder Dollar umrechnet. Mit der realen Wirtschaftsentwicklung hat das wenig bis gar nichts zu tun.
Im Gegenteil, der IWF prognostiziert im Zweijahreszeitraum 2023 und 2024 für Japan mit insgesamt plus 3 Prozent sogar ein höheres reales Wirtschaftswachstum als für Deutschland, wo das Bruttoinlandsprodukt insgesamt kaum mehr als stagnieren wird. Woran liegt dann aber die Schwäche des Yen? Schuld daran sind nach überwiegender Auffassung die niedrigeren Zinsen in Japan. Denn die dortige Notenbank kämpft seit vielen Jahren eher gegen deflationäre Tendenzen als gegen hohe Inflationsraten, wie sie in den USA und Europa herrschen. Daher ist es für Kapitalanleger derzeit weniger attraktiv, ihr Geld in Japan zu investieren, und das drückt den Wechselkurs.
Zwar räumt der Währungsfonds Deutschland auf mittlere Sicht stabilere Wachstumsaussichten als Japan ein, aber gute Argumente dafür sind schwer zu finden. Offenbar sind die IWF-Experten lange nicht mehr in Deutschland gewesen, sonst würden sie die hiesigen Sorgen um De-Industrialisierung, unsichere und teure Energieversorgung sowie den Mangel an motivierten und gut ausgebildeten Arbeitskräften vielleicht ernster nehmen.
FDP braucht Wirtschaftsnachhilfe
Ohnehin interessiert es unter den Bürgern eigentlich niemanden, ob wir nun auf Platz drei oder Platz vier der ökonomischen Weltrangliste stehen. Zu Recht, denn solche Hitlisten sind letztlich nur Schall und Rauch. Wer den Erfolg seiner Wirtschaftspolitik nur noch daran festmachen kann, stellt sich im Grunde selbst ein Armutszeugnis aus. Entscheidend ist letztlich, wie es den Menschen im Lande geht und wie nachhaltig Wohlstand und wirtschaftliche Dynamik gesichert erscheinen.
In dieser Hinsicht aber nimmt Deutschland derzeit eher an einem Rennen der Fußkranken teil, statt wie früher in der Champions League mitzuspielen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat in seinem jüngsten Papier „Industriepolitik in der Zeitenwende“ die massiven ökonomischen Probleme selbst beschrieben, wenn auch leider nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Die Diagnose aber stimmt, und sie sollte auch Frank Schäffler besser noch einmal nachlesen, bevor er den nächsten Jubel-Tweet über Deutschlands angebliche wirtschaftliche Stärke verfaßt.