BERLIN. Die Chefökonomin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Laurence Boone, hat vor einer anhaltend hohen Inflation gewarnt. Die Erwartungen für Deutschland lägen aktuell bei 2,8 Prozent für 2022 und bei 2,2 Prozent für 2023, sagte Boone der Bild-Zeitung.
„Die Situation würde dann problematisch, wenn sie länger andauert und Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen angesichts steigender Preise verständlicherweise höhere Löhne fordern würden. Sollten die Unternehmen nicht gleichzeitig produktiver werden, würden sie dann ihrerseits versuchen, die höheren Kosten durch höhere Preise auszugleichen“, erklärte die Ökonomin. „Das wäre ein Teufelskreis, den wir nicht wollen.“
Personen mit geringem Einkommen betroffen
Besonders betroffen von den Folgen der Inflation seien Personen mit geringerem Einkommen, da diese einen größeren Teil ihres Geldes für Nahrungsmittel, Strom oder Miete ausgäben. „Das sind genau die Dinge, die in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden sind.“
Zwar sei es richtig, daß viele europäische Ländern Maßnahmen gegen die steigenden Energiepreise ergriffen hätten. „Allerdings werden wir auch in Zukunft kaum zu niedrigen Energiepreisen zurückkehren. Sonst ist der Umbau einer Volkswirtschaft hin zur Klimaneutralität nicht zu schaffen.“
Die Inflationsrate in Deutschland war im November erstmals seit 1992 über die Fünf-Prozent-Marke geklettert. Sie betrug laut dem Statistischem Bundesamt 5,2 Prozent. Ausschlaggebend dafür waren vor allem die Energiepreise und die weltweiten Lieferengpässe.
Linnemann spricht von„kalter Enteignung des normalen Bürgers“
Auch der stellvertretende CDU-Fraktionschef im Bundestag, Carsten Linnemann, geht von einer weiterhin höher bleibenden Inflation in den kommenden Jahren aus. „Wir werden signifikant mehr als zwei Prozent – im nächsten Jahr bestimmt drei Prozent oder mehr im Durchschnitt haben. Das ist meine feste Überzeugung“, unterstrich er gegenüber dem Blatt.
Inflation sei eine „kalte Enteignung des normalen Bürgers“, kritisierte Linnemann. „Ich bin es satt, Rücksicht zu nehmen auf die Europäische Zentralbank (EZB), nur weil es ein politisch unabhängiges Gremium ist.“ Die EZB habe das klare Mandat, die Geldwertstabilität zu erhalten. Daher müsse sie gegensteuern: „Wenn wir signifikant über zwei Prozent liegen – und das machen wir im Moment, und das ist nicht kurzfristig – dann muß sie agieren.“ (ls)