Der Mittelstand ist einer der Stabilitätsgaranten des deutschen Wirtschaftsmotors. Fast 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten arbeiten in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Mittelstand wird von Politikern gerne herangezogen, wenn es darum geht, politische Programme zu verkaufen.
Doch beide stehen derzeit unter Beschuß – und das unabhängig von den Folgen der Corona-Krise. Einerseits drohen den Unternehmen zeit- und kostenintensive Maßnahmen wegen des immer radikaler forcierten Klimaschutzes. Die Bürger der Mittelschicht könnten andererseits die Verlierer der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sein.
Der Chefvolkswirt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Hans-Jürgen Völz, warnte am Donnerstag in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Die Bundesregierung droht mit dem Klimaschutzgesetz eine rote Linie zu überschreiten. Sie gefährdet sehenden Auges Betriebe und Arbeitsplätze in der mittelständischen Wirtschaft.“ Die Energiepreise könnten sich weiter erhöhen.
„Diese Preisinflation ist menschengemacht und hat System“
„Gleichzeitig läßt die Bundesregierung noch immer ein zukunftssicheres Konzept für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien vermissen“, kritisierte Völz. „Damit droht die schleichende Abwanderung energieintensiver Produktion und das Aus für viele mittelständische Zulieferer.“ Es brauche deshalb konkrete Fördermöglichkeiten für den Mittelstand.
Gleichzeitig müssen sich viele Branchen an teils sprunghaft gestiegene Preise anpassen. Nicht jeder Preisanstieg ist gleich Inflation, er kann auch wachsender Nachfrage geschuldet sein, doch die Befürchtungen mehren sich nun, daß die Inflation die Sphären der Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien und Gold verläßt und auf die Realwirtschaft durchschlägt. „In einigen Bereichen – Rohstoffe, Baumaterialien, Aktien, Häuser et cetera – wütet die Preisinflation bereits, und es ist zu befürchten, daß das erst der Anfang ist, daß sie weiter um sich greift“, warnt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.
Wie die Welt berichtet, kosten Stahlträger auf Jahresbasis fast 70 Prozent mehr. Die Preise für Dämmstoffe verdoppelten sich und Rigips verteuerte sich gar um mehr als 340 Prozent. Gleichzeitig warnte die Bank of America vor einer „vorübergehenden Hyperinflation“. Noch nie in der jüngeren Vergangenheit hätten Firmenchefs so sehr eine Inflation erwartet wie derzeit. Vor allem hätten die CEOs über steigende Rohstoffpreise und Transportkosten geklagt.
„Diese Preisinflation ist keine Naturerscheinung, sie ist vielmehr menschengemacht: Die Zentralbanken weiten die Geldmenge drastisch aus, und das sorgt für Preisinflation auf breiter Front“, erklärt Volkswirt Polleit im Gespräch mit der JF. Regierungen und Zentralbanken weltweit hatten schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie eine expansive Geldpolitik betrieben. Mit der Krise 2020 folgte noch einmal ein gigantischer Schub.
Profis schichten früher um
Die Geldmenge M2 in der Eurozone hat sich von Ende 2006 bis Ende 2020 auf fast 13.800 Milliarden Euro verdoppelt. Für Polleit sind Preissteigerungen da nur logisch: „Eine ökonomische Erkenntnis ist: Wenn die Geldmenge stark steigt, dann steigen auch die Güterpreise.“ Die Entwertung er Kaufkraft des Geldes habe System. „Die Regierungen wollen sich ihrer Schuldenlasten auf Kosten der Geldhalter entledigen.“
Seit Anfang 2020 haben Federal Reserve System und Banken rund 4 Billionen Dollar neu geschaffen, rund ein Fünftel der Geldmenge M2 überhaupt. Würde man das neu geschaffene Geld in 100-Dollar-Scheinen ausgeben, ergäben die aneinandergereihten Banknoten 16 mal die Strecke zum Mond! pic.twitter.com/J0l7u8b55d
— Daniel D. Eckert (@Tiefseher) March 13, 2021
Starke Unternehmen können höhere Preise an ihre Kunden weitergeben. Eine Inflation schädigt vor allem jene, die Preise oder Löhne nicht rasch genug anpassen können. Während Schuldner profitieren, trifft die Inflation die breite Masse, insbesondere die Mittelschicht mit ihren Sparguthaben voll. „Sparer und Anleger sollten alarmiert sein: Das Geld büßt seine Wertaufbewahrungsfunktion immer stärker ein. Bankguthaben und Schuldpapiere werden entwertet“, mahnt Polleit.
Professionelle Anleger können meist frühzeitig darauf reagieren, wenn sie von einer zu erwartenden oder bereits eingetretenen Inflation ausgehen. Da paßt es, daß in den vergangenen Tagen und Wochen teils größere Umschichtungen stattgefunden haben hin zu sogenannten Value-Titeln. Das sind jene Unternehmen mit hoher Substanz, die als krisenfest gelten und deren realwirtschaftlicher Gegenwert der Anlagen, der sogenannte innere Wert, in einem guten Verhältnis zum Marktwert steht. Im deutschen Mittelstand finden sich einige solcher in ihrer Branche führenden Unternehmen. Doch könnten die gerade wegen der drohenden Klimagesetzverschärfungen dennoch arg unter Druck geraten.