Manchmal liegt es nahe, die Würdigung eines Jubilars mit persönlichen Erinnerungen zu verbinden. Unsere Wege kreuzten sich erstmals 1994, als der Bund freier Bürger (BFB) gegründet wurde, wir für das Europaparlament kandidierten und bei Wahlkampfplanungen zusammensaßen. Das Vorhaben, diesen Urnengang zur Volksabstimmung gegen den Euro zu machen, scheiterte. Die Deutschen wollten die D-Mark behalten, waren aber nicht dazu bereit, so zu wählen, wie sie dachten. Die Zeit war nicht reif.
Bald verließ Joachim Starbatty die junge, rebellische Partei. Kurz blieb auch sein Gastspiel bei der Alternative für Deutschland, für die er 2014 in das EU-Parlament einzog und dem er bis 2019 als zuletzt parteiloser Abgeordneter angehörte. Daß er in Straßburg immer nur eine Minute lang sprechen durfte, fand der engagierte Hochschullehrer grauenhaft. Es machte ihm dennoch Spaß, wie er einmal sagte, „den Kommissaren in die Suppe zu spucken“.
Niemals nachgetreten
Joachim Starbatty war nie ein Parteimann. An den parteiüblichen Intrigen und internen Streitereien wollte er sich nicht beteiligen. Das entsprach nicht seinem Naturell. Ihn störten die schrillen Töne. Im BFB ebenso wie in der AfD sah er Plattformen, die ihm die Chance boten, mit dem Gehör zu finden, was er für richtig hielt. Anders als der Hamburger Industriemanager Hans-Olaf Henkel hat er sich nie dazu hergegeben, nachzutreten und Gehässigkeiten über die AfD zu verbreiten. Der gebürtige Düsseldorfer blieb der fröhliche Krieger für die Marktwirtschaft, für ein Europa freier Nationen, für eine liberale Währungsordnung, die die CDU mit der fatalen Entscheidung für die Währungsunion und den Euro verraten hatte.
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Daß er 1994 nach 24 Jahren Mitgliedschaft aus der CDU austrat, konnte niemanden verwundern, der seinen Werdegang kannte. Hatte er doch Alfred Müller-Armack an der Uni Köln als wissenschaftlicher Assistent zugearbeitet und bei ihm promoviert, dem Erfinder des Begriffs Soziale Marktwirtschaft und einem engen Vertrauten Ludwig Erhards. Seine Grundsatztreue zeigte sich im Juni 2018, als Starbatty die ihm 2003 von der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (ASM) verliehene Alexander-Rüstow-Plakette zurückgab. Er war viele Jahre ASM-Vorsitzender gewesen, nun trat er aus. Er wollte sich nicht damit abfinden, daß die ASM ausgerechnet Angela Merkel mit der Plakette geehrt hatte. Er wolle nicht, sagte er, mit ihr in einem Atemzug genannt werden. Weder in ihrer Energie- noch in ihrer Europa-, noch in ihrer Flüchtlingspolitik könne er die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft erkennen.
Mehr als alles andere kostete der Kampf gegen den Euro Zeit und Energie. Kurz vor dessen Einführung legte Starbatty 1998 zusammen mit den Professoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling und Karl Albrecht Schachtschneider Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Ein Quartett, das auch als „Viererbande“ bekannt wurde und dem ich mich bei späteren Euro-Klagen anschloß. Da die Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht jeweils zeitig am Vormittag begannen, reisten wir am Vorabend an und hatten Gelegenheit, uns beim Abendessen auszutauschen und das Euro-Drama Revue passieren zu lassen. Es waren wertvolle Gespräche, an die ich gern zurückdenke.
Keine Altersmüdigkeit anzumerken
Was vor allem bleibt, ist eine glänzende akademische Laufbahn mit Gastprofessuren an der University of Washington (Seattle) und der Dōshisha-Uni (Kyōto), mit der Professur in Bochum und ab 1983 dem Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre in Tübingen bis zur Emeritierung. Zur Abschiedsvorlesung 2007 kamen 500 Zuhörer. Starbatty war beliebt bei seinen Studenten wegen seiner Zugänglichkeit und weil er komplizierte Zusammenhänge zu entwirren und zu erklären verstand. Seinen Sammelband der „Klassiker des ökonomischen Denkens“ (Nikol Verlag 2019) und sein Buch über „Die englischen Klassiker der Nationalökonomie“ (Kohlhammer Verlag 2016) sollte jeder Politik- und Ökonomiestudent gelesen haben.
Altersmüdigkeit ist ihm keine anzumerken. Noch im vergangenen Sommer begeisterte er seine Zuhörer auf den Wiener Hayek-Tagen bei drückender Hitze als mitreißender Redner und unbeirrter Marktwirtschaftler in der Tradition des Ordoliberalismus. Joachim Starbatty feiert am 9. Mai mit seiner großen Familie den 80. Geburtstag.
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Dr. Bruno Bandulet war Chef vom Dienst bei der Welt. Der Buchautor und Gold-Experte ist Herausgeber des „Deutschland-Briefs“ (erscheint in eigentümlich frei).