BERLIN. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat das Geldvermögen der Deutschen deutlich geschmälert. „Die niedrigen Zinsen wirken sich weiterhin ungünstig auf die Ersparnisbildung in Deutschland aus“, sagte der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, am Mittwoch im Handelsblatt. Laut einer Berechnung der DZ Bank belaufen sich die Kosten dieser Politik zwischen 2010 und 2018 auf rund 295,5 Milliarden Euro.
Durch die lang anhaltende Phase extrem niedriger Zinsen erlitten die privaten Haushalte in Deutschland dem Bericht zufolge Zinseinbußen bei Einlagen, Rentenpapieren und Versicherungen in Höhe von 533,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Normalzinsniveau. Dem stehen Zinsersparnisse bei den Krediten – vor allem günstigeren Immobilienkrediten – von 238 Milliarden Euro gegenüber.
Der Deutsche Staat profitiert
Der Deutsche Staat hingegen profitiert von den Auswirkungen der Niedrigzinspolitik. Laut einer Aufstellung der Bundesbank haben Bund, Länder und Gemeinden von 2008 bis einschließlich 2018 fast 370 Milliarden Euro in ihrem Schuldendienst gespart. Die Summe ergibt sich aus einem Vergleich des aktuellen Zinsniveaus mit dem von 2007, bevor die Finanzkrise ausbrach. Seit mehreren Jahren liegen die Leitzinsen der EZB bei null. Die Durchschnittsverzinsung der deutschen Staatsschulden fiel von 4,2 Prozent auf 1,5 Prozent.
Ohne die außerordentlichen EZB-Maßnahmen hätte es also in den vergangenen Jahren keine Haushaltsüberschüsse gegeben. „Nicht Deutschland profitiert von den Niedrigzinsen, sondern der deutsche Staat“, faßte der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, die Ergebnisse zusammen. „Die deutschen Kapitalanleger verlieren. Als Nettogläubiger verliert Deutschland auch gesamtwirtschaftlich“, fügte er hinzu. (ha)