BOCHUM. Familien zahlen bei der Rente drauf. Zu diesem Schluß kommt eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. „Unser Rentensystem benachteiligt Familien – ausgerechnet diejenigen, die das System am Leben erhalten“, faßt der Vorstandschef der Stiftung, Jörg Dräger, das Ergebnis der Studie zusammen. „Spätestens mit dem Ende des demographischen Zwischenhochs 2030 gerät unser heutiges Rentensystem massiv unter Druck.“
Hintergrund ist das sogenannte Umlageprinzip. Mit den heutigen Beiträgen zur Rentenversicherung versorgen Erwerbstätige die gegenwärtige Generation an Rentnern. Gehen sie selbst später in Rente, werden sie von den dann Erwerbstätigen versorgt. Der Autor der Studie, der Ökonom Martin Werding, sieht das grundlegende Problem darin, daß in diesem System kaum die zusätzliche Belastung durch die Versorgung von Kindern berücksichtigt wurde:
„Eltern erbringen durch die Erziehung und Ausbildung von Kindern zwar entscheidende Vorleistungen für die dauerhafte Finanzierbarkeit umlagefinanzierter Alterssicherungssysteme. Bei der Bemessung ihrer eigenen Rentenansprüche werden diese Beiträge aber nur sehr begrenzt berücksichtigt“, schreibt der Lehrstuhlinhaber für Sozialpolitik an der Ruhr-Universität Bochum.
Gegenwärtiges System macht Kinder zum Armutsrisiko
In langfristigen Projektionen hat Werding den Betrag kalkuliert, den Familien im gegenwärtigen System draufzahlen müssen. Faßt man die derzeit über hundertfünfzig familienpolitischen Fördermaßnahmen für ein im Jahr 2000 geborenes Kind zusammen und verrechnet diese gegen die durchschnittlich entrichteten Sozialbeiträge und Steuern, so ergibt sich ein Fehlbetrag von 50.500 Euro. Berücksichtigt man dabei auch mögliche Enkelkinder, steigt der Fehlbetrag deutlich an.
Insgesamt profitiert die Rentenkasse um 77.000 Euro, die dieses Kind mehr einzahlt, als es später erhalten wird. Dieser Betrag liege deutlich höher als die durchschnittliche Mütterrente von 8.300 Euro. „Angesichts der Leistung von Eltern und der positiven Effekte, die ein Kind im weiteren Leben für die Gesellschaft erzielt, sollten Familien in der Erziehungsphase finanziell entlastet werden“, fordert Dräger. Die gegenwärtigen hohen Belastungen lassen dagegen Kinder zum Armutsrisiko werden.
Zahl der Kinder ist nicht wichtig?
Die Vorsitzende des Bundestagsauschusses für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese (SPD), zeigte sich dagegen skeptisch und bezeichnete gegenüber dem ARD-Morgenmagazin die Berechnungen als „etwas problematisch“: „Es kommt ja nicht darauf an, wie viele Kinder es gibt, sondern es kommt darauf an, ob sie sichere, gute Jobs haben.“ Mit diesen könnten sie dann auch in die Rentenkasse einzahlen. (FA)