Anzeige
Anzeige

Euro-Krise: Warnende Stimmen: Eine monetäre Titanic

Euro-Krise: Warnende Stimmen: Eine monetäre Titanic

Euro-Krise: Warnende Stimmen: Eine monetäre Titanic

Logo_Euro-Krise_01
Logo_Euro-Krise_01
Euro-Krise
 

Warnende Stimmen: Eine monetäre Titanic

Erst die Griechenland-Hilfe, jetzt ein weiterer milliardenschwerer Euro- „Rettungsfonds“: An dieser Stelle erinnert die JUNGE FREIHEIT an ihre frühen Warnungen vor den Folgen der Währungsunion.
Anzeige

Logo_Euro-Krise_01
Der Euro wird weich: Auf seine Abschaffung konzentrieren, bevor geschichtliche Umwälzungen dies automatisch und gewaltsam tun Foto: JF

Erst die Griechenland-Hilfe, jetzt ein weiterer milliardenschwerer Euro- „Rettungsfonds“: Sage niemand, wir hätten nicht gewarnt. Denn die JUNGE FREIHEIT hat schon früh über mögliche negative Folgen der europäischen Währungsunion berichtet, als andere noch die Einführung der Gemeinschaftswährung euphorisch beklatschten.

An dieser Stelle dokumentieren wir in loser Folge die wichtigsten Artikel aus der Vergangenheit. Hier nun Teil 3 mit einem Beitrag vom 11. Januar 2002:

Startschuß für die monetäre Titanic

Europäische Währungsunion: Zehn radikale politökonomische Konsequenzen des Euros

von Kai-Alexander Schlevogt

Die Bedeutung des Euros reicht über die Wirtschaft weit in das Reich der Politik. Trotzdem konzentrieren sich Kommentare in der Regel entweder nur auf die wirtschaftlichen oder politischen Auswirkungen der europäischen Einheitswährung. Oder man erklärt, der Euro sei belanglos, da er nur ein Zahlungsmittel ist.

In der Debatte überwiegen vage Behauptungen und Prognosen, die nicht begründet und faktisch unterlegt werden („der Euro wird die Europäer auf Trapp bringen“). Beobachter beschäftigen sich mit oberflächlichen operativen Fragen, wie die logistische Bewältigung der größten Geldtauschaktion der Geschichte, aber übersehen die tiefliegenden strategischen Kausalzusammenhänge. Nach den hitzigen Debatten dominieren im Zuge der Einführung des Eurobargeldes positive Bewertungen – der Sieger hat das Sagen. Gegner ergeben sich der Übermacht und verstummen resigniert oder werden marginalisiert. Überall vernimmt man die Mantras, die den Euro preisen: Bürger müssen bei Auslandsreisen kein Geld mehr umtauschen und Preise in Fremdwährungen umrechnen. Dieselbe Einsparung von Transaktionskosten gilt für Unternehmen. Man erwartet auch größere Preistransparenz, die den Wettbewerb fördern soll. Der Binnenmarkt, und, was oft nicht in der öffentlichen Debatte gesagt wird, die Kursschwäche des Euros versprechen einen Exportschub. Die einzigen kritischen Stimmen prangern nicht den Euro an, sondern das Gegenteil, den noch wettzumachenden „bedrohlichen“ Rückstand in der politischen Vertiefung der europäischen Integration.

Gesammelte Erfahrungen

Eine wissenschaftlich fundierte politökonomische Analyse, die auf Theorie und Forschung basiert, ermöglicht dagegen eine umfassende Bewertung des Euros aus nationaler und internationaler Sicht, auf deren Grundlage eine solide Staatsstrategie aufgebaut werden kann.

Der Euro ist nicht neu, er wurde schon 1999 mit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion eingeführt. Viele der Argumente für den Euro können nicht nur aus theoretischen Erwägungen, sondern auf der Basis der gesammelten Erfahrungen schon jetzt entkräftet werden. Die politökonomischen Auswirkungen des Euros lassen sich in zehn verknüpften Thesen zusammenfassen, die von der Mikroökonomie (Unternehmer und Verbraucher) über die Makroökonmie, bis hin zu den internationalen Beziehungen reichen.

1. Künstliche Exporthilfe lenkt von strategischen Unternehmensaufgaben ab. Der Euro beseitigt Kursschwankungen zwischen den teilnehmenden Währungen. Dieses Ziel hat aber das frühere Europäische Währungssystem schon weitgehend erfüllt, abgesehen von Entwertungen, die durch verschlechterte Fundamentalwerte verursacht werden, die jedoch auch in der Eurozone Schwierigkeiten bereiten werden. Zudem werden Schwankungen nun im Außenwert des Euros registriert.

Die Exportwirtschaft jubelt insgeheim. Durch den schwachen Euro verbilligen sich EU-Produkte auf dem Weltmarkt und die Export-Umsätze steigen. Aber Ausfuhren, die nur auf eine schwache Währung zurückzuführen sind, bilden keine Grundlage für langfristige geschäftliche Blüte, da sich die Wettbewerbsvorteile verflüchtigen. Gut geführte Firmen entwickeln Produkte, die nicht, wie die meisten Rohstoffe, auf reiner Preisbasis konkurrieren, sondern durch strategische Differenzierung und Positionierung im Markt höhere Margen oder Umsätze erwirtschaften. Die Nachfrage nach ihnen ist robust gegen mäßige Preisschwankungen. >>

Als Schattenseite des schwachen Euros müssen darüberhinaus stark importabhängige Unternehmen zunehmend höhere Preise für ihre Einfuhren zahlen, was die Binneninflation in die Höhe treibt. Auslandspreise leiden unter dem Kursverlust, der etwaige transaktionelle Einsparungen übersteigt. Für die Volkswirtschaft insgesamt bedeutet die Euroschwäche, daß für denselben Preis mehr Güter ausgeliefert werden müssen – kein gutes Geschäft! Die meisten makroökonomischen Modelle schließen eine gemeinsame Währung nicht als Variable ein, die das Handelsvolumen bestimmt. Deutsche Unternehmen unterhalten hervorragende Geschäftsbeziehungen mit außereuropäischen Ländern, die andere Währungen besitzen, wie etwa die USA und sogar China, dessen Währung nicht einmal international konvertibel ist! Auch der Handel mit Großbritannien hat seit dem Eurostart keinen Schaden erlitten.

Schließlich gilt, daß wer als Unternehmer keine Kurse umrechnen kann oder sich nicht entweder durch Finanzinstrumente, die einen Portfolioeffekt erzielen, oder durch Direktinvestitionen vor Kursschwankungen schützt, nicht verdient zu überleben.

Der Anfang vom Ende des Euros und Europas?

2. Unternehmen bilden Euromonopole. Preistransparenz wird den Verbrauchern auf Dauer keine Vorteile verschaffen. Kapitalistische Unternehmen befürworten keine Entwicklungen, die zu mehr Wettbewerb führen. Denn im Extremfall des „vollständigen Wettbewerbs“ werden die Umsätze so stark gedrückt, daß kein ökonomischer Gewinn mehr erzielt wird. Daher werden Unternehmen bei zunehmender Preistransparenz Wege suchen, den Markt zu beherrschen. Durch eine Welle von Fusionen und Übernahmen werden Unternehmen versuchen, auf dem Markt wieder die höheren Oligopolisten- oder Monopolistenpreise durchzusetzen. Die Wahl des Verbrauchers im hochgelobten europäischen Binnenmarkt wird gleichzeitig eingeschränkt.

3. Fundamentale Wachstumstreiber werden nicht verbessert. Nicht der Handel, sondern nur die Netto-Exporte (Überschuß der Ausfuhren gegenüber den Importen) stellen eine vergrößerte Nachfrage dar und sorgen somit für kurzfristiges Wirtschaftswachstum. Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, daß Deutschlands Exporte insgesamt durch den Euro schneller wachsen werden als die Importe. In der Tat gab es trotz Euro in den vergangenen Jahren keinen nachfragebedingten Wachstumsschub. Und da Länder wie Frankreich trotz supranationaler Architektur weiterhin nationale Ziele verfolgen, wird sichergestellt, daß etwaige Handelsvorteile Deutschlands durch höhere Transferleistungen ausgeglichen werden.

Handel kann nicht alle Beteiligten begünstigen, wenn einige den freien Handel nur in für sie vorteilhaften Fällen propagieren und in für sie selber kritischen Bereichen Protektionismus betreiben. Bei einer solchen Konstellation siegt nicht die zivilisierte ökonomische Vernunft, die Ressourcen zu den effizientesten Nutzungsalternativen kanalisiert, sondern, wie in der Wildnis, der Stärkere über den Schwächeren. Diese duale Dynamik – der Wunsch andere supranational einzubinden, um eigene nationale Ziele zu verfolgen – unterscheidet die Euro-Einführung von der Geburt der D-Mark im zweiten deutschen Reich, wo alle Einzelinteressen dem Nationalstaat untergeordnet wurden.

Geldpolitik im allgemeinen, und der Euro im Besonderen haben keinen Einfluß auf langfristiges, angebotsbedingtes Wachstum, das alleine von drei Faktoren abhängt: Kapital, Arbeit und technischer Fortschritt. Dafür muß Finanzakrobatik wirklichen Verbesserungen weichen. Die Opportunitätskosten der Euroeinführung sind hoch. Man bedenke, was hätte erreicht werden können, wenn man die auf die Kunstwährung verwendete Zeit und Mittel eingesetzt hätte, um reale Aufbau- und Reformarbeit im eigenen Lande durchzuführen, um so das volkswirtschaftliche Produktionspotential zu erweitern. >>

4. Wirtschaftspolitische Standardisierung und Einschränkungen lösen Vielfalt und Flexibilität ab. Man erzählt sich, daß das kommunistische Rußland einst versuchte, das Haareschneiden zu standardisieren. Dazu mußte jeder den Kopf in einen Automaten stecken, der ungeachtet der Kopfgröße immer gleich schnitt.

Ein ähnlich über einen Kamm geschertes und blutiges Ergebnis verursacht der Euro, auch wenn dies die meisten Menschen nicht ebenso leicht erkennen. Trotz der unterschiedlichen Wachstumsraten der Beitrittsstaaten ist der Leitzins einheitlich, was negative Folgen nach sich zieht.

Beispielsweise überzogen Irland, Spanien und Portugal im Jahre 2000 ihre Ausgaben und riefen so starke inflationäre Tendenzen hervor – in Irland betrug die Inflationsrate 5,9 Prozent, weit höher als die europäische Zielvorgabe von zwei Prozent. Daher sah sich die Europäische Zentralbank (EZB) genötigt, die europaweiten Zinsen zu erhöhen, um für annähernde Preisstabilität zu sorgen.

Nationale Bilanzmanipulationen

Dies war eine nutzbringende kalte Dusche für die überhitzten atlantischen Ökonomien, deren Nachfrage die produktiven Kräfte überstieg, aber gleichzeitig das Schlimmste, was Deutschland passieren konnte. Denn ein zarter Wirtschaftsaufschwung wird durch eine Zinserhöhung im Keim erstickt. Sie verteuert die Kredite für Unternehmer und Verbraucher, die daraufhin weniger investieren. Eine flexible, an die örtlichen Verhältnisse angepaßte Zinsgestaltung würde diese Probleme verhindern. Ebenso effektiv sind flexible Wechselkurse. Diese gleichen unterschiedliche internationale Wirtschaftsleistungen durch Marktmechanismen aus, die sonst überall befürwortet werden.

Durch die Währungsunion entfällt die Geldpolitik als wirtschaftspolitischer Hebel für die einzelnen Nationalökonomien. Eine augeglichene Wohlstandsverteilung in Europa ist dann nur noch durch Fiskalpolitik möglich. Die reichen Länder, allen voran Deutschland, müssen die erfolglosen Länder durch Transferzahlungen subventionieren. Erfolg zu verteilen und somit zu bestrafen ist ein sozialistischer Impuls. Wie im Sozialismus verringern solche teuren Absicherungsmechanismen die Leistungsbereitschaft der Reichen, deren gerechter Lohn genommen wird, und die Motivation der Armen, deren Überleben nicht gefährdet ist, da sie auf Kosten der harten Einsparungen hierzulande über ihre Verhältnisse leben können.

Eine durch eigene Leistung erreichte Konvergenz, die alleine eine wirksame einheitliche Zinspolitik ermöglicht, ist eine Fata Morgana, die als einmaliger Schnappschuß entzaubert wurde. Durch nationale Bilanzmanipulationen und Staatsverkäufe erreichte man für den Stichtag „akzeptable“ Werte, aber bald danach wurden die Zügel wieder locker gelassen. Denn für die Zeit nach dem Startschuß für die monetäre Titanic interessierte sich niemand.

5. Staatsbürokratie nimmt zu. In Zeiten des „mageren Managements“ erscheint es befremdlich, daß die supranationale Bürokratie weiter vergrößert wird. Neben der Verwaltung des Eurosystems müssen neue Überwachungsmechanismen aufgebaut werden, um wettbewerbshemmende Taktiken der Unternehmen (als Antwort auf die Preistransparenz) einzudämmen. Um den freien Markt zu schützen, muß daher paradoxerweise mehr interveniert werden und ein größerer Staatsapparat aufgebaut werden!

Mehr Staatsintervention und neue EU-Bürokratien

6. Höhere Unsicherheit und Ausgaben. Die erste Unsicherheit liegt in der Einführung des Euros. Man tauscht ohne guten Grund etwas Sicheres gegen etwas Unbekanntes. Zweitens hat die Euroumstellung zu einem Inflationsschock geführt, der wie bei der Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg durch Einmalentwertung ein großes Maß an Kaufkraft, vor allem von Menschen mit Festeinkommen, abschöpfte und (Spar-)Vermögen verringerte. Diese Verluste können nicht mehr wettgemacht werden, selbst wenn nach dem Schock lange Zeit die Inflation niedrig bleibt. Langfristig werden die Preise vielleicht so stark erhöht, daß die psychologisch wichtigen Schwellen erreicht werden, und die neuen Europreise dann absolut so hoch sind wie die ursprünglichen DM-Preise. Eine eventuelle Zinsanhebung, mit dem Ziel die Inflation zu bekämpfen wird Wachstum, Investitionen und Beschäftigung dämpfen. Wenn dann noch der Eurokurs steigt, werden die preisabhängigen Nettoexporte abnehmen.

Die höheren Lasten für Deutschland übersteigen etwaige Gewinne aus vermehrtem Handel. Neben den Finanztransfers nach Frankreich (Agrarpolitik) und in die armen Länder (Strukturfond), und der wachsenden Eurobürokratie, werden diese unter anderem verursacht durch kostspielige Interventionen, die die Währung künstlich beflügeln sollen. Diese können auf Dauer nicht den Markt besiegen, dem man entweder voll vertrauen oder den man durch Verwaltungsakte außer Kraft setzten sollte. Beides zugleich geht nicht. Bei festen Wechselkursen ohne durch Tranferleistungen künstlich herbeigeführte Konvergenz und ohne Interventionen auf den Finanzmärkten wäre die richtige Lösung, verschwenderische Staaten zum Sparen zu zwingen, anstatt die Zinsen zu erhöhen. Aber dies würden die Nehmerländer zu verhindern wissen. >>

Die gestiegenen Ausgaben für Individuen und Unternehmen in Deutschland verschlechtern die Investitionsbedingungen weiter. Dies führt zu einer Abwanderung von Köpfen und Investoren, besonders in die Vereinigten Staaten. Durch die Einsparungen in lebenswichtigen Zukunftsbereichen wie Bildung und Wissenschaft sinkt die Wettbewerbsfähigkeit weiter, was langfristig auch den Handel beeinträchtigen wird.

7. Demokratie nimmt ab. Mehr supranationale Bürokratie und damit verbundene staatliche Gängelung bedeutet weniger persönliche Selbstbestimmung und Freiheit. Die EZB repräsentiert eine neue technokratische Finanzelite, die abgeschottet in ihren terrorgeschützten Glaspalästen über die Köpfe der Bürger hinweg regiert und in die eigene Tasche wirtschaftet. Man wirkt bewußt einer Demokratisierung entgegen, mit der Begründung, die Glaubwürdigkeit der Währungshüter würde durch populistische politische Einflußnahme verringert. Aber wenn das stimmt, wie kann man dann anderswo die Demokratie, die Herrschaft der vom Volk gewählten Populisten, preisen? Außerdem ist die europäische Geldpolitik keine rein technische Angelegenheit, besonders wenn neben der Geldstabilität weitere Ziele, wie etwa Wachstum und Beschäftigung, verfolgt werden. Die undemokratische und undurchsichtige Bürokratie fördert eine Kultur der Verantwortungslosigkeit. Gruppen gehen erwiesenermaßen höhere Risiken ein, da kein Mitglied die Verantwortung tragen muß.

Kontrolle über die Freiheit

8. Nationalstaatliche Souveränität wird abgebaut. Es ist bizarr, wie die deutschen Medien ein weiteres Stück verlorene Souveränität feiern! Welch ein Handel: Vor dem Euro konnte Deutschland alleine die EU-Geldpolitik bestimmen, nun hat es nur noch eine Stimme in der EZB. Man könnte sagen: Macht nichts, denn Macht zählt nicht. Aber Macht ist nicht abstrakt, sondern ist konkreter Gestaltungsspielraum, der es einer Regierung ermöglicht, ihren Bürgern neue Möglichkeiten zu eröffnen und sonstige Vorteile zu verschaffen. Wenn Geld gemünzte Freiheit ist, dann bedeutet Kontrolle über die Geldpolitik Kontrolle über die Freiheit!

9. Europäer werden institutionell zur Nabelschau angehalten. Die europäischen Spitzenpolitiker und ihre Mitarbeiter beschäftigten sich häufig mit selbstgeschaffenen unproduktiven Aufgaben. Europa wird der Dreh- und Angelpunkt ihres Denkens und Handelns. Gleichzeitig schotten sie sich nach Außen durch protektionistische Maßnahmen ab und verpassen wichtige Handels- und Investitionsmöglichkeiten in außereuropäischen Ländern wie China, für die im Vergleich zu europäischen Aufgaben trotz des ungleich höheren Entwicklungspotentials nur ein Bruchteil der Ressourcen aufgewendet wird.

10. Nationale und internationale Spannungen werden aufgebaut. Der durch den Euro forcierte Europaaufbau wird zu einer stärkeren innenpolitischen Konfrontation zwischen separatistischen Euroskeptikern und Supranationalisten führen. Wahlkämpfer werden Europa untergraben. Es ist ein idealer Sündenbock, auf den eigenes Versagen unter dem Deckmantel der nationalen Ohnmacht – eine selbsterfüllende Prophezeiung – abgewälzt werden kann. Auf der europäischen Ebene wird es Spannungen geben, zum Beispiel über die Geldpolitik in einer Eurozone mit unterschiedlichen Wachstumsraten. Der Streit um die Bilder auf den Euroscheinen deutet die Uneinigkeit an. Ein isolationistisches Europa wird zudem auf Konfrontationskurs mit anderen Mächten, wie beispielsweise den USA und Rußland laufen. Die neomerkantilistische Konkurrenz ist künstlich und anachronistisch, denn nicht Länder stehen im Wettbewerb, sondern Unternehmen. >>

Selbst wenn das Euro-Projekt richtig wäre, verurteilt der mangelhafte Wandelprozess das Projekt zum Scheitern. Große Gebäude können nicht auf wackligem Grund stehen. Das Volk muß das Europa-Haus mittragen. Da aber seine Nachteile überwiegen, möchte niemand den Euro als Selbstzweck. Deutschland hat ihn als Preis für Frankreichs Zustimmung zur Wiedervereinigung akzeptiert. Eine solche nicht gewollte Konzession – die Mehrheit war gegen den Euro – kann später nicht als vorteilhaftes Geschäft dargestellt werden. Andere Länder begrüßten den Euro als Mittel, um Deutschland in Schach zu halten. Die Menschen stehen am Bankautomat Schlange nicht aus Europhorie, sondern weil sie das neue Bargeld brauchen.

Als wahres Ziel des Euros entpuppt sich allein die Hoffnung auf verstärkte politische Integration in Europa. Nach der institutionellen Wirtschaftsverknüpfung, die durch die Aussicht auf höheren Wohlstand leicht zu verkaufen war, soll die politische Union als unausweichlich dargestellt werden. Aber der Euro wird genau das Gegenteil bewirken. Je mehr integriert wird, desto größer wird die Implosion oder Explosion des pan-europäischen Hauses, die aus zwei Richtungen kommen wird: Erstens, wirtschafliche Probleme und damit verbundene Unzufriedenheit in der Bevölkerung (Implosion). Zweitens, zunehmenden Spannungen (Explosion). Bürgerkriege und europaweite Konfrontationen können dann nicht mehr ausgeschlossen werden. Ein Zusammenbruch des europäischen Hauses würde über fünfzig Jahre teuer erkaufte Entspannungspolitik mit einem Schlag zunichte machen.

Eine Frage von Krieg und Frieden

Der Euro ist in der Tat eine Frage von Krieg und Frieden. Nur wäre dem Frieden besser geholfen, wenn man alle Anstrengungen daran setzt, die nationalen Währungen wieder einzuführen, anstatt dem Abgrund entgegenzurennen und dann noch den Schritt zu beschleunigen. Kurz gesagt: Der Euro vermeidet keinen europäischen Krieg, kann ihn aber verursachen. Auch wenn die warnenden Stimmen vor der Einführung der Währung in den Wind geschlagen wurden, ist es nun, nach den desillusionierenden Erfahrungen mit dem Euro und aufgrund der nicht zu erwartenden Besserung höchste Zeit, dem sicheren Untergang entgegenzusteuern. Wahre Staatsmänner lernen aus neuen Entwicklungen und Einsichten. Unverantwortlich ist dagegen, trotz besseren Wissens an einem aussichtslosen Projekt festzuhalten und so eine Politik der verbrannten Erde zu verfolgen.

Der Euro ist gekommen – jetzt sollten sich Euro-Gegner statt stillschweigender Fügung auf seine Abschaffung konzentrieren, bevor geschichtliche Umwälzungen dies automatisch und gewaltsam tun, denn Extreme verkehren sich in ihr Gegenteil. Wer an ein Europa ohne Euro glaubt, der wird als Anachronist bezeichnet; er ist ein Prophet, der im eigenen (Euro-)Land nichts gilt. Aber unumkehrbar ist nichts – die Geschichte ist voller Überraschungen, denn sie wird nicht von Systemen, sondern von Menschen gemacht!

Dr. Kai-Alexander Schlevogt absolvierte sein Studium an der London School of Economics and Political Science (LSE). Der internationale Experte für strategische Studien ist Gründer und Präsident der privaten Schlevogt Business School mit Fokus auf internationale Wachstumsmärkte (insbesondere China). Er wurde zum ersten permanenten ausländischen Professor in der Geschichte der Volksrepublik China ernannt (an der Peking Universität). Zuvor war er Unternehmensberater bei McKinsey & Co. in Großchina und forschte in Harvard und Oxford, wo er promovierte.

JF 03/02

> Teil 1: Bernd-Thomas Ramb: Die geduldete Euro-Verlogenheit (JF 41/04)

> Teil 2: Bruno Bandulet: EU betritt die Gefahrenzone (JF 30/03)

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.