Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen: Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.“ So läßt Goethe einen ahnungsvollen Kanzler zum deutschen Staatsoberhaupt sprechen, als der Teufel in Gestalt Mephistopheles’ die durch fiktive Werte gedeckte Geldschöpfung einführt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte vor solchen Anwandlungen gefeit sein. Da ihre milliardenschweren „Rettungspakete“ für verspekulierte Banken die Staatsverschuldung in noch groteskere Höhen treiben wird, fragt sich so mancher Bürger, ob er nicht schon längst inmitten eines Mummenschanzes lebt, der irgendwann vorbei sein wird.
Das Geld im Portemonnaie oder auf dem Konto ist schlußendlich nur ein Glaubensbekenntnis auf Papier. Wo aber Vertrauen schwindet, da befindet sich ein Währungssystem in einer existentiellen Krise. Soweit ist es zumindest in der Euro-Zone noch nicht. Aber die Deutschen haben im vorigen Jahrhundert schon drei Währungsschnitte erlebt.
Abbildung realwirtschaftlicher Verhältnisse
Lokale Abhilfe in einer solchen Situation könnte hier ein alternatives Regionalgeld schaffen, das vor allem verspricht, was virtuelle und globalisierte Zahlungsmittel offensichtlich nicht mehr leisten können: realwirtschaftliche Verhältnisse abzubilden, durch die es seinen Wert erhält. Auch eine Umlaufsicherung in Form eines Abschlags, wie sie viele Regionalgeld-Initiativen beinhalten, nimmt sich als Schutz vor Spekulationen aus.
Verwunderlich ist es daher nicht, wenn in den letzten Jahren eine Vielzahl von Regionalgeld-Initiativen entstanden ist. „Rheingold“, „Bürgerblüte“, „Sternentaler“ – ebenso bunt wie die Namensvielfalt sind auch die Trägernetzwerke. Die bedeutendste unter den rund dreißig deutschen Komplementärwährungen ist der in Oberbayern beheimatete „Chiemgauer“.
Das 2003 von Waldorfschülern als Schulprojekt ins Umlauf gebrachte Geld läßt sich für Verbraucher verlustfrei in Euro rücktauschen. Teilnehmende Firmen zahlen einen Abschlag, der neben Vereinskosten auch Spenden beinhaltet. Voriges Jahr wurden erstmals „Chiemgauer“ im Wert von einer Million Euro ausgegeben – für Regionalgeld sehr beachtlich.
Auch in Norddeutschland hat der Euro Konkurrenz: Der „Kannwas“ in Schleswig-Holstein ist ähnlich wie der „Chiemgauer“ aufgebaut. Er verliert pro Monat einen Prozent an Wert und ist ein Jahr lang gültig. Abgelaufene „Kannwas“ können von teilnehmenden Unternehmen gegen Gebühr in frisches Geld eingetauscht werden. Zwar nimmt sich der „Kannwas“ mit einem ausgegebenen Wert von rund 15.000 Euro vergleichsweise bescheiden aus, doch blicken die Teilnehmer optimistisch in die Zukunft. Vierzig geplante neue Initiativen zählt der deutsche Dachverband „Regiogeld“. >>
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Erinnerungen werden wach an die Zeit der großen Wirtschaftskrise, als Anhänger des Sozialreformers und „Freigeld“-Theoretikers Silvio Gesell (1862–1930) auftraten. Berühmt geworden ist das „Wunder von Wörgl“, wie das Geldexperiment einer Tiroler Gemeinde genannt wurde. Getroffen von der Rezession, begann diese 1932 ein eigenes „Schwundgeld“ herauszugeben, welches in Verbindung mit einem lokalen Konjunkturprogramm die Arbeitslosigkeit in kürzester Zeit senkte.
Ein spektakulärer Erfolg, der bei Ökonomen wie John Maynard Keynes für Aufsehen sorgte. Als das Experiment sich anschickte, zum Flächenbrand in Mitteleuropa zu werden, wurde es unter Androhung militärischer Gewalt abgebrochen.
Rudolf Steiner (1861–1925) ist ein weiterer Name aus dieser Zeit, der häufig fällt. Nicht zufällig sind heute oft Waldorfschulen Kristallisationspunkte von Regionalgeld-Initiativen, hat ihr Begründer doch umfassende Gedanken zum Geldwesen geäußert. Zwar teilt er Gesells Ansicht, daß Geld ein „unreeller Konkurrent“ der Waren sei, geht aber weit über eine bloße Umlaufsicherung hinaus.
Schädliche Rückstauungen
Nach Ansicht Steiners tritt im entwickelten Kapitalismus Geld in drei Funktionen auf – als Kaufmittel, Kredit und Schenkung. Jedes neugeschöpfte Geld durchläuft in einem realen Prozeß diese Aggregatszustände bis zum faktischen Abbau. Herkömmliche Geldformen können diese Metamorphose jedoch nicht abbilden, wodurch es zu schädlichen Rückstauungen kommt.
Diese konnten bisher durch Handelsbilanzen ausgeglichen werden: „Solange die Volkswirtschaft unter anderen Volkswirtschaften ist und nicht Repressalien … ergriffen werden, … vergrößert sich der Import“, heißt es in einem Vortrag vom 3. August 1922.
Diese Möglichkeit wird jedoch durch die fortschreitende Globalisierung unterlaufen: „In der Weltwirtschaft gibt es keine Korrektur, weil man vom Mond keine Artikel einführen kann.“ Daher müsse man zu einer neuen „Weltwirtschaftswissenschaft“ übergehen „oder aber ein unmögliches Erdengebilde in wirtschaftlicher Beziehung herstellen, das nur leben kann, wenn der eine Teil auf Kosten des anderen sich durch Valutadifferenzen wirtschaftliche Vorteile verschafft“ – wie derzeit zu beobachten ist.
JF 37/09