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Chance für deutsche Milchbauern

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Weltweit ist eine zunehmende Mangelversorgung des Menschen mit dem essentiellen Spurenelement Selen zu verzeichnen. Eine Ergänzung über Grundnahrungsmittel wäre ein so natürlicher wie praktikabler Weg, der in Deutschland allerdings erst noch beschritten werden muß. Denn bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts galt Selen als ein toxisches Element und stand in Verruf, Krebs zu verursachen. Alleine, daß bei einer Selenunterversorgung das Immunsystem geschwächt ist und die Anfälligkeit gegenüber Infektionen steigt, wäre Grund genug dafür. Doch deckte die Wissenschaft inzwischen weit wichtigere Zusammenhänge auf: So erhöht sich bei einer zu geringen Selenzufuhr das Risiko, insbesondere an rheumatoider Arthritis, Alzheimer, Herzgefäßerkrankung und nicht zuletzt an Krebs zu erkranken. Wie eine in dreizehn Ländern durchgeführte Untersuchung dokumentiert, sinkt die Todesrate durch Prostatakrebs, wenn die Selenaufnahme steigt. Auffällig wenige Erkrankungen wurde bei jenen Probanten gezählt, deren Selengehalt im Blut zwischen 0,25 bis 0,30 Mikrogramm je Milliliter lag. Weiter belegt eine anerkannte Humanstudie, daß bei einer täglichen Ergänzung mit bis zu 50 Mikrogramm Selen über einen Zeitraum von acht Jahren die Leberkrebsrate reduziert werden konnte. Als weiterer Beweis dient die oftmals zitierte Clark-Studie, bei der über einen Zeitraum von zehn Jahren mehr als 1.300 Personen aus aller Herren Länder als „Versuchskaninchen“ dienten. Demnach lag die Todesrate in der Testgruppe im Durchschnitt um 56 Prozent niedriger als bei jenen, denen eine Selenergänzung versagt wurde. Explizit sank im Vergleich zu der nicht supplementierten Gruppe die Lungenkrebsrate um 46, die Darmkrebsrate um 58 und die Prostatakrebsrate um 63 Prozent. Selenverarmung des Bodens und der Nahrungspflanzen Ausreichend mit Selen versorgte Körperzellen sind gegen freie Sauerstoffradikale aus der Umwelt besser geschützt. Freie Radikale können die Erbsubstanz schädigen, Mutationen hervorrufen und wirken letztendlich auch karzinogen. Daher ist die weltweit zu verzeichnende Selenunterversorgung des Menschen ein zumindest bedenkenswerter Zustand. Die Ursache dafür liegt unter anderem in einer Selenverarmung des Bodens und folglich der Nahrungspflanzen. So deckt gerade in jenen Ländern wie etwa Rußland, wo sich die Bevölkerung überwiegend mit getreidehaltigen Lebensmitteln ernährt, die Selenzufuhr nicht einmal einen Bruchteil dessen, was Ernährungsphysiologen als tägliches Quantum empfehlen. Aber auch in Industrienationen, wo in aller Regel mehr Fleisch gegessen und somit naturgemäß mehr Selen aufgenommen wird, ist man von dem Soll pro Kopf und Tag weit entfernt. Dabei liegen die behördlich festgesetzten und von Staat zu Staat unterschiedlichen Bedarfswerte von 50, 60 oder 75 Mikrogramm noch erheblich unter der aus Sicht der Wissenschaft notwendigen Zufuhr von 200 Mikrogramm Selen pro Tag. Weiterhin ist es nicht nur eine Frage der Quantität, sondern auch der Qualität. So hat organisch gebundenes Selen, wie es in Pflanzen in Aminosäuren integriert ist, gegenüber anorganischen Formen verblüffende Eigenschaften. Wie mittlerweile die Forschung zweifelsfrei dokumentiert, wird über Selenhefe aufgenommenes Selenmethionin effizienter im Organismus verwertet und ist wesentlich höher verfügbar als anorganisch gebundenes Natriumselenit oder -selenat. Jene Verbindungen stehen überdies in Verruf, bei Überdosierung Vergiftungen hervorzurufen. Es ist nicht neu, die notwendige Selenversorgung gezielt über Grundnahrungsmittel und nicht etwa über Tabletten zu gewährleisten. Durch die gezielte Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere mit Selenhefen werden so selenangereicherte Grundnahrungsmittel gewonnen und bisweilen äußerst erfolgreich vermarktet. In Asien gibt es unter dem Handelsnamen „Selk“selenangereicherte Milch. Unter der Dachmarke „Columbus“ werden in über 20 Ländern selenierte Hühnereier angeboten. Daß in deutschen Verkaufsregalen keine solchen exotisch anmutenden Diätetika stehen, ist kein Zufall. Zum einen hakt es an der lethargischen Legislative, die sich schon immer mit jenen konsumierbaren Dingen schwertat, welche nicht Fisch und nicht Fleisch sind. Eine Kategorisierung, Deklaration und Werbeaussage für solche in einer lebensmittelrechtlichen Grauzone schwebenden Produkte zu etablieren, ist schlicht unmöglich. Zum anderen liegt es an der Lustlosigkeit unter all den Rohstofflieferanten, Erzeugern, Herstellern und Handelstreibenden, effektive Allianzen innerhalb einer Produktionskette zu schmieden. Die traditionelle Haßliebe zwischen Milchbauern und Milchverarbeitern, deren nimmermüde Preisdispute die Sicht auf eine effiziente Doppelsieg-Strategie („win-win“) verschleiern, soll in diesem Zusammenhang als ein Beispiel dienen. Es wären also Berge zu versetzen, wollte man die gegenwärtige Situation ändern. Doch „Gut Ding will Weile haben“ – so lehrt uns die Geschichte -, und es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, bis das hilfreiche Selen auch hierzulande seine Metamorphose vollendet hat.

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