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Ein Schritt Richtung Einheitskasse

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Die Kernelemente der von der Großen Koalition geplanten Gesundheitsreform scheinen vielen häufig nicht so präsent, andernfalls würde die Diskussion nicht derart verquast geführt. So wird beispielsweise heftig über die höhere Zuzahlung für Krebspatienten gestritten. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel verstieg sich zu der Äußerung, diese Belastung sei „abgrundtief unanständig“. Dabei geht es darum, die präventive Krebsvorsorge zu stärken. Bei einem Versicherten, der regelmäßig an der Krebsvorsorgeuntersuchung teilnimmt, wird die Zuzahlung für den Fall, daß er später zum chronisch Kranken wird, von zwei auf ein Prozent ermäßigt. Das gilt auch für chronisch kranke Diabetiker, die an einem „Disease Management Programm“ für Diabetiker teilnehmen. Eine Bonus-Regelung gibt es schon länger für Behandlungen in der Kieferorthopädiepraxis, die für den Patienten zutrifft, der sich therapietreu verhält und eine Behandlung konsequent bis zum Ende durchsteht. Viel wichtiger wäre der Überblick über das, was die Großkoalitionäre beschlossen haben: • Der Beitragssatz für alle Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird einheitlich durch die Politik festgesetzt. Der Beitrag für die Arbeitgeber wird um 0,9 Prozent unter dem der Arbeitnehmer festgezurrt. In einen Gesundheitsfonds sollen ab 2009 die Beiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber und die Steuerzuschüsse fließen, die dann an die Krankenkassen verteilt werden. Wenn eine Krankenkasse mit dem Beitrag aus dem Fonds nicht auskommt, muß sie eine kleine Prämie bei ihren Versicherten erheben, die höchstens ein Prozent des Einkommens ausmachen darf. Bis zu acht Euro erfolgt keine Einkommensprüfung. • Da die Versicherten der einzelnen Kassen unterschiedliche gesundheitliche Risiken aufweisen und höhere oder geringere Beiträge zahlen, gibt es seit 1995 einen Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen. Bis 2005 ist er auf über 16 Milliarden Euro angewachsen. Die Betriebskassen zahlen, die Ortskrankenkassen kassieren. Dieser Risikoausgleich wird 2009 erweitert und im Gesundheitsfonds erledigt. Aus dem Fonds erhalten alle Kassen die gleiche Pauschale je Versicherten, korrigiert um den Morbiditätsfaktor der Versicherten der einzelnen Kassen. Dabei werden bis zu 80 überdurchschnittlich teure Krankheiten berücksichtigt. • In der Privaten Krankenversicherung (PKV) sollen Altersrückstellungen bei einem Wechsel des Versicherten in eine andere PKV-Kasse mitgegeben werden. Es soll dadurch mehr Wettbewerb um die Versicherten im Privatkassenbereich angestoßen werden. • Mit einem Basistarif, der den Leistungsumfang des GKV-Leistungsangebots finanziert, hofft der Gesetzgeber ehemalige PKV-Versicherte wieder in die PKV zu locken. Die PKV-Kassen müssen ehemalige Mitglieder ohne Gesundheitsprüfung aufnehmen. • Der Leistungskatalog der GKV wird erweitert um Mutter-Kind-Kuren und Rehabilitationsmaßnahmen. Unheilbar Kranke erhalten eine palliativmedizinische Versorgung, die von den gesetzlichen Kassen bezahlt wird. • Die Honorarentwicklung der niedergelassenen Ärzte wird sich ab 2009 an der Morbidität ihrer Patienten orientieren. Zeitgleich wird der morbiditätsorientierte Fonds eingeführt. Der Blick der Krankenkassen soll sich stärker auf die Patientenversorgung richten. Allerdings wird die Honorarsumme nicht aufgestockt. Als Kritik betonen die Kassenärzte, daß mehr und mehr Leistungen überhaupt nicht vergütet werden. Schätzungen sprechen von einem Drittel der ärztlich erbrachten Leistungen. Die chronische Unterfinanzierung des niedergelassenen Bereichs würde durch diese Regelung fortgeschrieben und verschärft. Der totale Verriß des Entwurfs für eine GKV-Reform geht sicher zu weit. Daß die gesetzlichen Kassen in diesem Gesetzentwurf einen Schritt in die Einheitskasse befürchten, läßt sich jedoch nachvollziehen. Eine einheitliche Pauschale für jeden Versicherten an jede Kasse läßt den Schluß zu, daß die Gesetzesmacher schon jetzt daran denken, wie leicht es sein wird, die Versicherten von der Etablierung einer Kasse zu überzeugen, deren Verwaltungskosten zugunsten des Beitragssatzes erheblich gesenkt werden könnten. Die Kliniken in Deutschland sollen eine Zwangsabgabe von einem Prozent des Krankenhausbudgets leisten bzw. 500 Millionen Euro einsparen. Und das, nachdem die Tarifabschlüsse mit den Klinikärzten im Jahr 2006 mehr als 500 Millionen Euro ausmachen und schon in den vorangegangenen Jahren staatlich verordnete Kürzungen den Bewegungsspielraum der Krankenhäuser unerträglich eingeengt haben. Auch die Apotheker fühlen sich durch die Vorhaben des Gesetzgebers zutiefst betroffen. In Preisverhandlungen mit den Krankenkassen sollen mehr als 500 Millionen Euro eingespart werden. Besonders betroffen sind die Kassenärzte in den neuen Ländern. Schon heute blutet die ambulante medizinische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen aus. Die Arbeitsgemeinschaft der betroffenen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) stellt in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel fest, daß die Einführung einer Euro-Gebührenordnung nichts nutze, wenn das Honorar weiterhin an regionale Budgets angepaßt werde. Für ebenso nutzlos halten sie Honorarzuschläge für unterversorgte Gebiete auf Kosten anderer Ärzte. Junge Ärzte könnten nur gewonnen werden, wenn Wettbewerbsgleichheit mit dem Westen geschaffen würde. Die Unterfinanzierung, so die KV-Vorsitzenden in den neuen Ländern, schlägt verstärkt zu Buche, da in den neuen Ländern (relativ) weitaus mehr ältere Menschen mit höherem Versorgungsbedarf lebten als im Westen. Die Folge sei klar: steigender Ärztemangel, längere Wartezeiten, weitere Wege für Ärzte und Patienten sowie weniger Personal und Ausbildungsplätze in den Praxen. Derzeit sind 776 hausärztliche und 231 fachärztliche Praxen in den neuen Ländern nicht besetzt. Der große Wurf ist das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV noch nicht. Das ließe sich nur durch die Änderung einiger gravierender Punkte herbeiführen, die bislang eine ausreichende Patientenversorgung behindern.

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