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Kein neuer Reichsarbeitsdienst

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Cato, Palmer, Exklusiv

Mit Hartz IV, der schroffen Senkung der finanziellen Unterstützung von Arbeitslosen-hilfeempfängern auf das Niveau von Sozialhilfeempfängern, geht die Schaffung eines neuen Typs der abhängigen Beschäftigung einher, die „Ein-Euro-Jobs“. Der Beschäftigte erhält pro Stunde ein bis eineinhalb Euro Lohn, der nicht auf seine Basisversorgung in Höhe des Arbeitslosengeldes II (ALG-II) angerechnet wird. Auf diese Weise können Langzeitarbeitslose insgesamt ein Nettomonatseinkommen zwischen 750 Euro und 950 Euro erreichen. Zu wenig, beklagen viele Arbeitslose und fühlen sich zu einem Hungerlohn ausgebeutet, zumal die Annahme einer solchen Stelle ab dem 1. Januar des nächsten Jahres zwingend wird. Andernfalls droht eine ALG-II-Kürzung um 30, 60 oder – im Wiederholungsfalle – sogar 100 Prozent. Schon wird der Vergleich mit dem „Reichsarbeitsdienst“ gezogen, mit dem in den Anfangsjahren des Dritten Reichs die Massenarbeitslosigkeit durch staatlich eingerichtete Billiglohnarbeitsplätze bekämpft wurde. Dies ist ein historisch unsauberer Vergleich, da die staatliche Beschäftigung von Arbeitslosen schon vorher in anderen europäischen Staaten – etwa in Bulgarien – praktiziert wurde und in Deutschland bereits vor den Nationalsozialisten 1931 durch den damaligen Reichskanzler Heinrich Brüning mit einem „Freiwilligen Arbeitsdienst“ (FAD) zum Wohl des Vaterlands bestand. Dagegen fehlt den „Ein-Euro-Jobs“ der patriotische Unterbau. Sie werden gerade von den heutigen Neosozialisten jeglicher Couleur als „Ausbeutung“ der Arbeitskraft angesehen. Ökonomen rechnen hingegen vor, daß die Bezeichnung „Ein-Euro-Job“ eine Untertreibung der tatsächlichen Lohnzahlung bedeutet. Nach Berechnung des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kann ein alleinstehender Arbeitsloser in Westdeutschland mit ALG-II und einem Zwei-Euro-Job auf Vollzeitbasis plus einem Miet- und Heizkostenzuschuß bis zu 978 Euro netto im Monat erreichen. Brutto entspricht dies einem Gehalt von 1.350 Euro und damit einem Stundenlohn von 8,20 Euro. Ein verheirateter Arbeitsloser mit zwei Kindern unter sieben Jahren käme sogar auf einen Vollzeit-Bruttostundenlohn von 12,40 Euro und erhält damit mehr als ein tarifgebundener Facharbeiter in der Papierindustrie, der nur 11,50 Euro verdient. Kein Wunder also, daß sich bisher allein in Berlin 3.400 Arbeitslosenhilfeempfänger für eine „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“, wie die Ein-Euro-Jobs offiziell genannt werden, gewinnen ließen. Bundesweit arbeiten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit schon über 17.000 Menschen in dem neuen Programm. Die Bundesregierung hofft, noch in diesem Jahr die bisher geplanten 100.000 Beschäftigungsmaßnahmen des Projektes „Arbeitsmarkt im Aufbruch“ mit Langzeitarbeitslosen besetzen zu können. Längerfristig sollen 600.000 dieser Stellen geschaffen und damit 14 Prozent der Arbeitslosen „beschäftigt“ und so aus der Statistik verbannt werden. Noch ist der Andrang der Freiwilligen groß. Ab Januar tritt die Annahmepflicht ein. Da wollen viele noch die Situation der Auswahlmöglichkeiten nutzen. Zudem empfindet ein Großteil der Arbeitslosen das soziale Ansehen und das Selbstwertgefühl eines Beschäftigten als zusätzliches immaterielles Einkommen. Beliebig vermehrbar sind die Ein-Euro-Stellen nicht. Es gelten strenge Richtlinien. Die Arbeit muß erstens „gemeinnützig“ sein. Genauer: Nur öffentliche Einrichtungen dürfen solche Beschäftigungsmöglichkeiten beantragen. Sie müssen dabei nachweisen, daß es sich um keine gesetzlich festgelegte Tätigkeit handelt und daß damit kein Profit gemacht werden kann. Privatbetriebe sind somit ausgeschlossen. Zweitens dürfen keine bestehenden reguläre Stellen gefährden werden. Die Einrichtungen müssen nachweisen, daß die „Ein-Euro-Jobs“ den Wettbewerb nicht verzerren. Damit sind diese Arbeitsplätze auf, wie es heißt, „gemeinnützige Beschäftigungen niederer Qualität“ beschränkt. Drittens ist die Stelle zeitlich befristet. Zur Zeit dauert der Einsatz bei einer Arbeitsgelegenheit neun Monate. Nächstes Jahr werden von den Trägern auch Stellen mit sechs bis zwölf Monaten Dauer angeboten. Unter diesen Bedingungen klingt das Lamento der deutschen Mittelstandsvereinigung und der deutschen Handwerkskammer, die „Ein-Euro-Jobs“ würden zu einer Auftragskonkurrenz führen und damit wesentliche Einnahmemöglichkeiten der Handwerker und Mittelständler (etwa Gärtnereien) vernichten, kaum überzeugend. Fest steht, daß eine Reihe von „Nachfragern“ der Dienstleistungen, die über „Ein-Euro-Jobs“ abgedeckt werden, auf dem regulären Markt überhaupt nicht in Erscheinung treten würde – selbst wenn es jetzt zu einer drastischen Senkung der Lohnsätze käme. Natürlich ist eine rein marktwirtschaftliche Lösung der Arbeitslosenproblematik an Effizienz nicht zu überbieten. Solange der Staat jedoch – in welcher Form auch immer – ohnedies in den Arbeitsmarkt eingreift, stellt die Methode der Ein-Euro-Jobs noch das gelindeste Marktvergehen und die sanfteste Form des Sozialismus dar. Schließlich wird ein Teil der staatlichen „Konsumausgaben“ für ALG-II durch eine produktive Gegenleistung kompensiert, die mit nur einem zusätzlichen Euro pro Stunde bezahlt wird. Berechtigt ist jedoch der Einwand der Kritiker, mit dieser Maßnahme würde die generelle Arbeitslosenproblematik nicht gelöst. Dabei zählt weniger das Argument, daß damit die Arbeitslosenzahlen geschönt würden. Die offiziellen Zahlen waren schon immer ohne große Aussagekraft. Die Bedenken liegen vielmehr in der versuchten Ablenkung von notwendigen Reformschritten, ohne die keine nachhaltige Beseitigung der Arbeitslosigkeit möglich ist: Senkung der deutschen Lohnkosten, vor allem durch Verringerung der offenen und versteckten Lohnnebenkosten. Besonders letztere geraten wieder aus der Blickwinkel: Beseitigung von beschäftigungsfeindlichen Verordnungen und Regelungen, konsequente Entmachtung der Gewerkschaften und Erleichterung der inländischen Gewinnerzielung sind Erfordernisse, an denen keine heutige und zukünftige Bundesregierung vorbeikommt. Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten: Die „gemeinnützigen Beschäftigungen niederer Qualität“ verbannen Arbeitslose aus der Statistik

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