Im vergangenen Sommer wurde der Großraum Washington tatsächlich zu einem „melting pot“: Allerdings schmolzen nicht die getrennt lebenden „Ethnien“ zusammen, vielmehr ächzte die Bevölkerung unter einer Hitzeglocke, wie sie seit 150 Jahren nicht registriert wurde. Monatelang sank die Durchschnittstemperatur kaum unter 30 Grad Celsius. Im Mittleren Westen herrschte eine Dürre, die Tausenden Farmern die Existenzgrundlage vertrocknen ließ. Mit der Hitze kamen auch Krankheiten, die man bis vor wenigen Jahren nur mit Afrika in Verbindung brachte: Im Bundesstaat Virginia, direkt vor den Toren der Washingtons DCs, trat zum ersten Mal Malaria auf. Entdeckt wurde aber auch schon das gefährliche Ebola- und West-Nil-Virus, so daß die Amerikaner sich darauf einstellen dürfen, sich in Zukunft einen tropischen Impfschutz verpassen zu lassen, wenn sie in den Süden ihres eigenen Landes reisen wollen. Das Wetter ändert sich weltweit. Ob die Zunahme von Wetterextremen unmittelbar mit dem Massenverbrauch fossiler Energieträger in Zusammenhang steht, bezweifelt zwar eine Minderheit von Meteorologen, aber fest steht, daß der Mensch in wenigen Jahren verbrennt, was sich in Jahrmillionen gebildet hat. Der Umweltaktivist Franz Alt spricht daher treffend von einer „Pyromanie“ der Industriegesellschaften, die gekoppelt ist mit einer beispiellosen Öl-Sucht: Der moderne Mensch als „Fossil-Junkie“. Die ausgeprägteste Form dieser Spezies findet man in den USA, wo eine Durchschnittsfamilie zwei Autos und ein schlecht isoliertes Haus besitzt. Für die etwa 280 Millionen Einwohner sind 216 Millionen Autos zugelassen, die bei einem Benzinpreis von 40 Eurocent pro Liter nicht in der sparsamen Kategorie gesucht werden. Am beliebtesten sind große Sports Utility Vehicles (SUV), die zumindest optisch den Eindruck erwecken, geländegängig zu sein. Die mit überholter Technik und spritfressenden Klimaanlagen ausgerüsteten Ungetüme schlucken bis zu 20 Liter auf 100 Kilometer. Jährlich blasen US-Autos so 300 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre, ein Stoff, der als „Klimagas“ für die Erwärmung der Erde mit verantwortlich ist. Aber auch beim Stromverbrauch liegen die USA vorn: 9.600 Kilowattstunden (kWh) im Jahr verbraucht eine US-Familie – in Deutschland sind es nur 4.000 kWh. Auch hierbei scheint der Preis eine entscheidende Rolle zu spielen, denn für Strom und Gas zahlen die US-Amerikaner nur halb soviel wie die Verbraucher in Deutschland. „Wir stellen weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung, erzeugen aber 25 Prozent des gesamten CO2. Wir sind so nicht nur der weltgrößte Kohlendioxidproduzent, sondern auch der größte Pro-Kopf-Produzent. Das heißt: Pro Einwohner produzieren wir im Durchschnitt fünf Tonnen CO2 im Jahr – ungefähr doppelt so viel wie in Europa“, kritisiert Chris Flavin, Präsident des World Watch Institute in Washington. Und David Doniger vom Natural Resources Defense Council, einer der einflußreichsten Umwelt-Lobby-Gruppen, sagt über die aktuelle US-Energiepolitik: „Unsere Kraftwerke allein produzieren 40 Prozent der US-CO2-Emissionen – das entspricht zehn Prozent des CO2-Ausstoßes weltweit. Unsere Autos sind für 20 Prozent allen Kohlendioxids in den USA verantwortlich – das entspricht fünf Prozent der weltweiten Emissionen. Die Bush-Regierung hat überhaupt keinen Umweltplan – keine Auflagen für die Industrie, keine Limits. Die versuchen, den Weg freizumachen für mehr Emissionen. Und das ist fürchterlich unverantwortlich!“ In der Tat ist man in der US-Regierung weit davon entfernt, die Chancen der erneuerbaren Energien zu ergreifen. Man wolle sich weiter auf fossile Brennstoffe konzentrieren, bestätigt Guy Caruso, der Leiter des US-Energie-Informationsamts, das direkt dem Energieministerium angegliedert ist: „Unsere Prognose ist, daß fossile Brennstoffe auch im Jahr 2025 ungefähr 90 Prozent der gesamten Energiequellen ausmachen werden. Das liegt hauptsächlich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten, an der derzeitigen Politik und an den Gesetzen.“ Mit der „derzeitigen Politik“ dürfte die übermächtige Stellung der Öl-Industrie gemeint sein, die mit US-Präsident George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney „ihre Leute“ an den Hebeln der Macht hat. Die neuen Gesetze sehen vor, daß 33 Milliarden Dollar in Form von Steuervorteilen und Fördergeldern für die Energieriesen lockergemacht werden sollen. Der US-Wirtschaftsexperte Timothy Moore spricht daher wohl zu Recht von „der größten Chance für Energieunternehmen seit mehr als einem Jahrzehnt“ – denn die Umweltauflagen sind kaum mehr als ein bißchen Kosmetik für eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Allerdings hat die Entfesselung der fossilen Wirtschaft auch gefährliche Nebeneffekte im Bereich der nationalen Sicherheitspolitik, denn der hohe Benzin- und Dieselverbrauch und die Abhängigkeit der Industrie von Rohöl werden den Bedarf der USA an Ölimporten in der nächsten Dekade noch um mindestens zehn Prozent steigern. Schon jetzt wird ein Viertel der weltweiten Erdölproduktion in den USA verbraucht, so daß die Abhängigkeit noch weiter anwachsen wird. Damit werden die USA zu Getriebenen, die mit immer größerem Aufwand die letzten Ölfelder der Erde sichern müssen, um die eigene Wirtschaft – und damit den Staat – am Leben zu erhalten. Die immer kostspieligeren Einsätze – der Irak-Krieg wird nach ersten Schätzungen 200 Milliarden Dollar kosten – sind aber nur durch eine starke Ökonomie zu finanzieren. Hier zeigt sich eine wechselseitige Abhängigkeit von fossiler Wirtschaft, Angriffskrieg und Umweltzerstörung, die nur durch einen radikalen Wechsel bei der Energieversorgung zu lösen ist. Wann wird man das in der Neuen Welt verstanden haben?