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Sonne, Silicon Valley und Schulden

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Kalifornien ist offiziell zahlungsunfähig. Bis zum 30. Juni hätte der Haushalt des 31. US-Bundesstaates verabschiedet sein müssen. Republikaner und Demokraten konnten sich jedoch nicht einigen. Die Demokraten dominieren zwar beide Kammern des Parlaments und stellen mit Gray Davis den amtierenden Gouverneur. Doch für das Haushaltsgesetz ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Jetzt klafft ein Rekorddefizit von 38 Milliarden Dollar, obwohl Kalifornien wie alle anderen Bundesstaaten außer Vermont eigentlich einen ausgeglichenen Haushalt ausweisen sollte. Das Haushaltsloch ist größer als das aller anderen 50 Bundesstaaten zusammen. Es macht ein Drittel des gesamten Haushalts aus. Auch wenn Kalifornien mit über 31 Millionen Einwohnern der mit Abstand bevölkerungsreichste Bundesstaat ist, handelt es sich um eine ausgemachte politisch-ökonomische Krise. Würde Kalifornien aus dem Verbund mit den anderen Staaten herausgelöst, so wäre es seit kurzem theoretisch die sechstgrößte Industrienation der Welt – noch vor Frankreich mit seinen fast 59 Millionen Menschen. Doch in den florierenden neunziger Jahren hat auch Kalifornien viele Steuern gesenkt. Wegen der schwächelnden US-Konjunktur ist es jetzt zu ungeahnten Steuerausfällen gekommen. 2001 kam auch noch eine Energiekrise hinzu. Die eigene Wirtschaft ist vom Ende der Euphorie auf dem Internetmarkt besonders betroffen. In Silicon Valley gehen die Lichter aus, heißt es. Eine Dot-Com-Pleite jagt die nächste. Der Kollaps des Staates folgt dem Kollaps der heimischen Industrie. Denn auch die Kosten sind drastisch angestiegen. Zum einen ist das Gesundheitssystem außer Kontrolle geraten. Zum anderen explodieren die Kosten für die von Washington angeordneten Sicherheitsmaßnahmen nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001. Gouverneur Davis kürzt an allen Ecken und Enden. Sein eigenes Gehalt hat er um fünf Prozent herabgesetzt. Da ein Kompromiß zwischen Parlament und Regierung nicht in Sicht ist, werden vermutlich bald die Zahlungen an soziale Einrichtungen, Schulen und Kindergärten eingestellt. Dann werden Rechnungen aus der Privatwirtschaft nicht mehr beglichen. Und bereits im August werden die Bezüge der öffentlich Bediensteten auf ein Minimum gesenkt. 30.000 von ihnen droht die Entlassung. Die Bargeldreserven reichen noch zwei Wochen, heißt es aus der Hauptstadt Sacramento. Der Gouverneur wollte das Naheliegendste tun, um das beschriebene Horrorszenario abzuwenden, nämlich die zuvor gesenkten Steuern wieder anheben. Die Republikaner, traditionelle Gegner jeglicher Erhöhung von Abgaben, verhindern dies mit ihrer Sperrminorität. Sie wollen weitere Kürzungen im Haushalt des Pazifikstaates. Weil Grays Vorschlag, die Mehrwertsteuer um ein halbes Prozent heraufzusetzen, scheiterte, muß der 60jährige das öffentliche Leben mit Überbrückungskrediten im Gang halten. Bei den Republikanern glaubt der ambitionierte Darrell Issa die Chance seines Lebens bekommen zu haben. Issa, ist Angehöriger des US-Repräsentantenhauses für einen Wahlkreis in San Diego. Der schwerreiche 49jährige Unternehmer will die Gunst der Stunde nutzen und Davis ersetzen. Seit Jahren ist Kalifornien demokratisch, was linken Präsidentschaftskandidaten stark zugute kommt. Doch mit einer auf 21 Prozent geschrumpften Zustimmungsrate für den Gouverneur waren die Chancen für einen Machtwechsel in Sacramento nie so gut. Präsident Bush könnte seine Ausgangsbasis für eine Wiederwahl 2004 verbessern, wenn Davis jetzt von Issa gestürzt würde. Andererseits kann auch der ehrgeizige Issa Kaliforniens Probleme nicht auf Knopfdruck beenden. Er würde in einem Jahr vielleicht sogar einen Malus für die Bush-Kandidatur darstellen. Wohl aus diesem Grund verfolgt das Weiße Haus die Kampagne zur Abwahl des Gouverneurs nur mit wohlwollendem Desinteresse. Der Abgeordnete Issa dagegen hat einen beträchtlichen Teil seines Privatvermögens in die Volksabstimmung gegen den Gouverneur gesteckt. Mit 1,5 Millionen Dollar hat der libanesischstämmige Politiker den Verein „Rettet Kalifornien – Setzt Gray Davis ab“ ( www.recalldavis.org ) gegründet. Nach eigenen Angabenhat er bereits die notwendigen 900.000 Unterschriften zusammen, die für die Volksabstimmung benötigt werden. Stimmt dies, dann werden am Wahltag im November die Wähler aufgefordert, sich für Davis oder einen von mehreren möglichen Nachfolgern zu entscheiden. Erhält einer der Konkurrenten mehr Stimmen als Davis, dann wird er Davis mit sofortiger Wirkung als Gouverneur ersetzen – ein einmaliger Vorgang in der amerikanischen Geschichte. Der Seiteneinsteiger Issa, der seine Ambitionen mit viel Geld durchzusetzen versucht, wirft Davis vor, „Enron-ähnliche“ Buchhaltungstricks angewandt und die Wähler betrogen zu haben. Er hat seine Partei aufgefordert, sich wie ein Mann hinter ihn zu stellen und ihn zum einzigen Kandidaten zu küren. Aber daß er die Kastanien für die Republikaner aus dem Feuer zu holen versucht, danken ihm diese nicht. Bill Simon, der republikanische Gegenkandidat Davis‘ von 2002, macht sich ebenfalls Hoffnungen, nun doch noch Gouverneur zu werden. Ein weiterer Kandidat, der bereits erklärt hat, antreten zu wollen, ist Arnold Schwarzenegger. Wie einstmals Ronald Reagan und Jesse Ventura könnte erneut ein prominenter Hollywood-Schauspieler seinen hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad in ein politisches Amt ummünzen. Die gesamtwirtschaftliche Situation wird es dem (noch) amtierenden Gouverneur von Kalifornien nicht leichter machen. Das US-Leistungsbilanzdefizit ist im Mai abermals gestiegen, auf den dritthöchsten Wert seiner Geschichte (41,84 Milliarden Dollar). Der Verlust der Amerikaner vor der WTO im Streit mit der EU um Schutzzölle für Stahl vereinfacht die Lage auch nicht. Die Erzeugerpreise sind bereits im Juni um ein halbes Prozent gestiegen. Das unter anderem daraus resultierende Haushaltsdefizit übertrifft noch die Rekordwerte aus der Zeit von George Bush sen. Mit 290 Milliarden Dollar hatte dieser 1992 die bislang höchste Neuverschuldung zu verantworten. Sein Filius wird das Land im Fiskaljahr 2003 um sage und schreibe 450 Milliarden Dollar zusätzlich verschulden. Die Regierung begründet den Anstieg der Kreditaufnahme mit den Folgen des 11. September. Im Vergleich zur Terrorismusgefahr hält man Haushaltslöcher für harmlos.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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