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Die Botschaft der Gefallenen

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Ich verneige mich in Dankbarkeit und Anerkennung vor den Toten, die im Einsatz für den Frieden für unser Land gefallen sind.“ Seit Verteidigungsminister Jung (CDU) vor drei Wochen anläßlich der Trauerfeier für die beiden in Afghanistan getöteten Fallschirmjäger erstmals von Gefallenen sprach, schien das ewige Herumdrucksen um die Frage, was die toten Soldaten von einem Verkehrsopfer unterscheidet, vorbei zu sein. Doch worin liegt der Unterschied, ob ein Soldat „für unser Land gefallen“, oder ob er, wie es bislang pauschal hieß, „im Dienst ums Leben gekommen“ ist? Zunächst: Ums Leben kommen kann jeder. Fallen können nur Soldaten. Soldat ist eben kein Beruf wie jeder andere, auch wenn die Werbebroschüren für den freiwilligen Dienst einen solchen Eindruck erwecken wollen. Der Soldat übernimmt den Schutz der Gemeinschaft. Dieser Auftrag sieht den Einsatz und Verlust seines Lebens vor. In fast 60 Jahren Frieden ist den meisten Deutschen die Fähigkeit abhanden gekommen, zu unterscheiden zwischen dem Opfer, das jemand ist, und dem Opfer, das einer bringt. Doch ohne diese Voraussetzung kann nicht von Gefallenen gesprochen werden. Sie sind eben nicht Opfer lediglich der Umstände — sondern, so sollte man wenigstens hoffen, in vollem Bewußtsein der Schwere ihrer Aufgabe in den Einsatz für „unser Land“ gezogen. Natürlich hofft jeder von ihnen, daß er heil wieder nach Hause kommt. Aber er weiß auch, daß ihn die Verpflichtung bindet, im Ernstfall das eigene Leben zu geben. Und so ist jede Diskussion, die um unsere Gefallenen kreist, peinlich verdruckst. Ein „Ehrenkreuz für Tapferkeit“ wird eingeführt, obwohl Tapferkeit suspekt ist. Ein Ehrenmal für die Toten der Bundeswehr soll es geben, jedoch ohne „sakrale Überhöhung“ des Soldatentodes. Das Gedenken soll unserem „demokratischen Selbstverständnis“ entsprechen. Aber es ist ein bundesrepublikanischer Mythos, daß demokratisches Opfergedenken vom Begriff des Helden oder eben des Opfers für die Gemeinschaft absehen muß. Die „ältesten Demokratien“ der Welt, Athen und die Vereinigten Staaten von Amerika, belegen das Gegenteil — man denke an die Totenrede des Perikles: „Diesen Männern also bemüht euch nachzueifern.“ Aus dieser Überzeugung heraus — den Gefallenen etwas schuldig zu sein, weil sie „für uns“ gestorben sind — ist nach dem Ersten Weltkrieg der Volkstrauertag eingeführt worden. Ziel war es, ein „Gefallenendenkmal im Herzen des deutschen Volkes“ zu setzen. Trotz Niederlage und Versailler Vertrag war man sich darin einig, daß diese Toten „nicht umsonst gefallen“ waren. In jedem Dorf wurde ihrer gedacht, fast jeder hatte jemanden zu betrauern. Die Ehrenmäler zeugen bis heute, so sie nicht Vandalismus und Verfall preisgegeben sind, von der Selbstverständlichkeit, das Opfer der Gefallenen sakral zu erhöhen. Nicht der Erfolg war der Maßstab, sondern die Tatsache an sich. Die Gefallenen haben eine Botschaft, die der Volkstrauertag zum Ausdruck bringen soll: Laßt unser Opfer nicht sinnlos gewesen sein. Gedenkt unser, besinnt euch angesichts unseres Todes der Einigkeit, laßt ab von Hader und Zwietracht. Sich selbst zurückgestellt und sich für den Frieden Deutschlands geopfert zu haben, wird heute als Dummheit oder Verblendung ausgelegt: „Selber schuld, keiner hat dich gezwungen“ (siehe Interview Seite 3). Der Umgang mit unseren Kriegsversehrten stellt dem deutschen Volk ein moralisches Armutszeugnis aus. Wer ist noch bereit, Soldat zu sein? Wer will wie die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges pauschal bespuckt und als Verbrecher verurteilt werden? Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat beim diesjährigen feierlichen Gelöbnis in Berlin gesagt: „Ihr könnt euch darauf verlassen: Dieser Staat wird euch nicht mißbrauchen.“ Doch was soll das heißen? Ist es nicht inkonsequent und auch zu wenig, wenn diese Männer dort fallen, weil sie den Drogenhändlern vor Ort etwas auf die Finger schauen sollen? Das ist dann eben doch Mißbrauch — Mißbrauch durch Halbherzigkeit. Und genauso halbherzig ist es, eine bewaffnete Auseinandersetzung, in die viel Material und Menschen involviert sind, nicht Krieg zu nennen. Dafür gibt es Gründe, die der Politikwissenschaftler Herfried Münkler unter den Begriff der „postheroischen Gesellschaft“ gefaßt hat. Wir leben in einer Gesellschaft, die von der Erinnerung an große Opferbereitschaft „belastet“ ist. Denn Krieg bedeutete in der Vergangenheit, daß es um das Ganze, um Deutschlands Existenz ging. Wir können heute nur geringe Opferzahlen tolerieren und müssen offenbar das Wort „Krieg“ um jeden Preis vermeiden. Doch abgesehen von allen semantischen und juristischen Bedenken: Wenn es Gefallene gibt, dann befinden wir uns im Krieg. Wenn wir uns im Krieg befinden, müssen wir diesen gewinnen wollen. Wenn wir das nicht wollen, brauchten wir nicht zu kämpfen. Das bringt Tod und Leid, und darauf muß Deutschland gefaßt sein. Das bedeutet auch, die Konsequenzen dieses Handelns zu tragen und sich nicht mit dem Verweis auf die „ewige Schuld“ aus der Verantwortung zu stehlen. Ein Volk, das sich aus der Geschichte verabschiedet hat, will sich die Hände nicht schmutzig machen und gefällt sich darin, anderen moralische Lehren zu erteilen und das eine oder andere Opfer auf dem Altar des guten Gewissens zu bringen. Daß das nicht genügt, spricht sich langsam herum, nicht zuletzt durch die Diskussion, wie wir unserer „Gefallenen“ gedenken sollen. Am Volkstrauertag wird in der Bundesrepublik der „Toten zweier Kriege an den Fronten und in der Heimat“ und der Opfer von Gewaltherrschaft gedacht. Diese Widmung ist der „Vergangenheitsbewältigung“ und der trügerischen Hoffnung geschuldet, daß Deutschland nie wieder Krieg führen muß. Das hat sich geändert. Und auch der Volkstrauertag wird sich verändern müssen, wenn es in Deutschland keine Unterscheidung in „gute“ und „schlechte“ Gefallene geben soll.

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