Zum Jahreswechsel ist es große Mode, entweder gute Vorsätze zu fassen oder sich über diese Angewohnheit lustig zu machen. Der Jahreswechsel bietet zweifellos den großen Reiz, neu anzufangen. Über dem alten Jahr werden nicht nur in der Buchhaltung die Aktendeckel geschlossen. Mochte mancher Ärger darin eingeschlossen sein, in der Neujahrsnacht übergibt man aber doch vieles dem Vergessen, es wird „abgehakt“. Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr nutzen viele dazu, Bilanz zu ziehen, sich zu sortieren und das nächste Jahr seelisch in Angriff zu nehmen. Und wenn es nur die Frage des Ziels für den Jahresurlaub ist. Manches wird zur Disposition gestellt. Laster werden überdacht – das Rauchen wahrscheinlich an erster Stelle. Dicht dahinter folgt – nach strengem Blick auf die Waage im Gefolge der kalorienreichen Festtage – die Ernährung gekoppelt mit der sportlichen Betätigung. Beim Essen schlagen die Sünden leider am sichtbarsten zu Buche. Doch mit dem Über-die-Stränge-Schlagen an Festtagen ist es so eine Sache. Friedrich Nietzsche hat wohl nicht unrecht, wenn er sagt: „Der Gesamt-Aspekt des Lebens ist nicht die Notlage, die Hungerlage, vielmehr der Reichtum, die Üppigkeit, selbst die absurde Verschwendung.“ Als ich, eingeladen zu einem Adventssingen bei Freunden, an deren sich unter Köstlichkeiten biegendem Tisch stand, kam mir Gerd Bergfleths Aufsatz „Theorie der Verschwendung“ ins Gedächtnis, der 1985 in einem kleinen Bändchen bei Matthes & Seitz aufgelegt wurde. Bergfleth erinnert hier daran, daß in archaischen, voraufklärerischen Zeiten das Kennzeichen aller Kulturen war, das Jahr in Feste einzuteilen, auf denen alles zuvor Erarbeitete restlos verjubelt wurde. Die Sparsamkeit, die harte Arbeit diente alleine einem: dem rauschenden Fest danach. Für uns ist das schwer nachzuempfinden, in einer Zeit, die bei aufgehobenem Ladenschluß den Einkauf von Weihnachtsgänsen, Spargel und Erdbeeren rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr ermöglicht. Im Rückgriff auf Bergfleths Theorie hat es aber etwas Irritierendes, daß wir ausgerechnet in der Überflußgesellschaft den Sinn wahrer festlicher Verschwendung erst wieder entdecken müssen. Ermutigendes für diejenigen, die allem Spott zum Trotz zum Jahresbeginn gute Vorsätze gefaßt haben, hält eine neue wissenschaftliche Studie aus den USA parat. Der Motivationspsychologe Peter M. Gollwitzer wertete in einem Beitrag für die Zeitschrift Advances in Experimental Social Psychology Experimente mit über 8.000 Probanden aus. Danach haben klare Pläne einen mittleren bis starken Einfluß darauf, ob man das Ziel erreicht. Mit anderen Worten: Je genauer Sie Ihre guten Vorsätze (am besten schriftlich) formulieren, je substantiierter und konkreter Ihre Vorhaben gefaßt werden, um so wahrscheinlicher ist es, daß Sie sie auch umsetzen. Gollwitzer warnt jedoch vor Störfaktoren: „Wenn der Anfang gemacht ist, muß man sich bei der Umsetzung des Ziels vor Ablenkungen schützen.“ Im Plan also am besten gleich die Reaktion auf Versuchungen festlegen: Wie reagiere ich auf die üppigen Geburtstags-Kuchenlagen der Kollegen? Wie überbrücke ich den Hungerknast vorm Redaktionsschluß? Dann klappt’s. Bestimmt!
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