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Tabus und Lebenslügen

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Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sorgte im Herbst wochenlang für Aufregung, weil er seiner Partei „ökonomische Lebenslügen“ in der Reformpolitik vorwarf – daß nämlich weniger Steuern und niedrigere Löhne keineswegs automatisch zu mehr Arbeitsplätzen führten. Doch Rüttgers hatte nur zum Teil recht, denn das Gegenteil seiner Aussage (also mehr Steuern und höhere Löhne) hatte in der Vergangenheit nachweislich einen Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge, so daß es nur konsequent ist, von dem umgekehrten Konzept positive Resultate zu erhoffen. Rüttgers‘ scheinbarer Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, entpuppte sich somit rasch als Populismus. Die wahren Tabus und Lebenslügen dieser Republik aufzudecken, traut sich indes kaum mehr jemand aus der Politischen Klasse und ihrem publizistischen Begleitorchester. Einige seien darum im folgenden kurz skizziert: l Natürliche Ungleichheit. Sie gehört zu den größten Tabus unserer Tage – mit weitreichenden Folgen für die So­zial‑, Bildungs-, Familien- und Zuwanderungspolitik. So wie sich kaum ein Politiker traut, offen über die Klassenstruktur der deutschen Gesellschaft zu sprechen, werden auch die wahren Ursachen der Armut mit einer Vogel-Strauß-Taktik verschleiert. Für die Armutsforschung läuft dies auf die tautologische Erklärung hinaus, die Fritz Reuter in seinem Roman „Ut mine Stromtid“ einem seiner Protagonisten ironisch in den Mund gelegt hatte: „Die große Armut kommt von der großen Powerteh her!“ Daß in einer demokratischen Leistungsgesellschaft, in der es – cum grano salis – weder Vorrechte der Geburt noch solche des Standes gibt, ein Hauptgrund materieller Armut eine mindere Intelligenz ist, scheint Sprengstoff für das staatsphilosophische Fundament zu sein. Offenbar ist die unangenehme Wahrheit eine Beleidigung sowohl des demokratischen Credos (erster Satz der amerikanischen „Bill of Rights“ von 1776: „Alle Menschen sind gleich geschaffen“) als auch des religiösen Empfindens („Vor Gott sind alle Menschen gleich“). Dabei wird niemand das Offensichtliche bestreiten: die körperliche Ungleichheit. Die geistige Ungleichheit jedoch wird schamhaft verschwiegen, obwohl sie jeder Schüler bei Rückgabe einer Klassenarbeit an der Differenz zwischen seiner Zensur und jener seiner Mitschüler erfährt. Nicht zu leugnen sind die Leistungshierarchien in Wirtschaft und allen anderen gesellschaftlichen Bereichen – in Kliniken, Kfz-Betrieben, Orchestern usw. Diese Hierarchien gemäß der Intelligenz und der Begabung bedingen eine Hierarchisierung auch des Einkommens und des sozialen Status. Und woher kommt die Intelligenz, definiert als Fähigkeit zum rationalen Denken? Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist sie zu wenigstens 70 Prozent angeboren und somit als Erbgut ebenso wie Begabung und Aussehen individuelles Schicksal. Daß Bildung gegen Arbeitslosigkeit hilft, wie alle Politiker landauf, landab als Stein der Weisen verkünden, ist daher nur sehr eingeschränkt richtig. Wer den Zusammenhang zwischen Herkunft und Leistung leugnet, erweckt den Eindruck, alle Kinder könnten es aufs Gymnasium und später auf die Universität schaffen. Da die Realität dem entgegensteht, wurden im Zuge der 68er Revolution die Leistungsstandards an den Schulen kontinuierlich gesenkt. Durch diese Abwärtsspirale wird die Arbeitslosigkeit aber keineswegs behoben, sondern lediglich auf die jeweils Schwächeren verschoben. Daß Bildung gegen Arbeitslosigkeit hilft, ist nur sehr eingeschränkt richtig. Wer den Zusammenhang zwischen Herkunft und Leistung leugnet, erweckt den Eindruck, alle Kinder könnten es aufs Gymnasium und später auf die Universität schaffen. Daß Bevölkerung nicht nur eine Quantität, vielmehr auch eine Qualität hat, ist in der jüngsten Vergangenheit nur zweimal von Politikern offen angesprochen worden. Ihre Erkenntnisse wurden indes sofort als nicht PC-gemäß zurückgewiesen, jede Debatte darüber wurde im Keim erstickt: Angesichts der Tatsache, daß 40 Prozent der jungen Akademikerinnen kinderlos bleiben, hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vorgeschlagen, für diese Hochbegabten ein Elterngeld einzuführen, um ihnen zu helfen, Kinder und Karriere besser zu vereinbaren. Die Widerstände in seiner Partei vorausahnend, beschwor er seine Genossen, nicht gleich wieder „den Hammer der sozialen Gerechtigkeit“ herauszuholen. Doch natürlich geschah genau dies. Schließlich setzten in der Großen Koalition unter Angela Merkel die Gleichheitsideologen beider Parteien durch, daß jene staatliche Unterstützung auch allen Hartz-IV-Empfängerinnen gewährt wird, von denen ohnehin 85 Prozent Kinder gebären. Schröders geplanter qualitativer Schritt in der Familienpolitik lief somit ins Leere, statt dessen werden die Sozialkassen jetzt erneut aufgebläht. Das andere Beispiel betrifft die Pisa-Studien. Der sächsische Kulturminister Matthias Rössler (CDU) hatte es gewagt, auf die Test-Ergebnisse für die türkischen Schüler zu verweisen, die den deutschen Gesamtdurchschnitt erheblich drückten. Sofort liefen die Tugendwächter mit Claudia Roth (Grüne) an der Spitze Sturm und etikettierten die Stellungnahme mit Adjektiven wie „rassistisch“, „fremdenfeindlich“ und „faschistisch“. Dabei hatte Rössler recht. Natürlich sind Türken nicht dümmer als Deutsche, doch es ist nun einmal eine Tatsache, daß der Intelligenzquotient der meist ungelernten Zuwanderer aus Ostanatolien weit unter dem Durchschnitt liegt (Volkmar Weiß: Die IQ-Falle, Graz 2000). 50 Prozent der Zuwandererkinder haben ein Intelligenzprofil, das dem der schlechtesten deutschen Schüler entspricht (18 Prozent). Da bereits 2010 die Mehrheit der unter 40jährigen in deutschen Großstädten einen „Migrationshintergrund“ haben wird, kann man sich das soziale und kulturelle Niveau der Ghettos sowie die zu befürchtenden Kriminalitätsraten vorstellen. l Vollbeschäftigung. Seit 1975 gibt es in Westdeutschland eine strukturelle Arbeitslosigkeit, die seinerzeit rund eine Million Menschen betraf. Mittlerweile dürfte sie in Gesamtdeutschland wesentlich höher liegen, denn in den letzten Jahren sind immer mehr Arbeitsplätze, die nur geringe Qualifikationen erfordern, abgebaut oder ins Ausland verlagert worden. Da in der sich rapide entwickelnden Wissensgesellschaft der Intelligenzquotient zur entscheidenden Produktivkraft geworden ist, wird sich dieser Prozeß der Entwertung der Muskelkraft und der nur begrenzten geistigen Fähigkeiten fortsetzen. Im Zuge der Globalisierung dürften künftig auch qualifizierte Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich (etwa bei Ingenieuren, im Bankwesen oder bei medizinischen Analysen) zunehmend an Billigstandorte wie China und Indien ausgelagert werden. Wer angesichts derartiger Bedingungen von einer Rückkehr zur Vollbeschäftigung spricht, ist entweder ein Träumer oder ein Demagoge. l Gesellschaftspolitische Teilhabe. Eine aus einem idealisierten Menschenbild resultierende Lebenslüge ist das ständige Beschwören des „bürgerschaftlichen Engagements“, also die erwünschte „Teilhabe“ an der politischen Willensbildung der Gesellschaft. In Wahrheit, so stellte der Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Bockenförde 1997 fest, „beteiligen sich immer weniger Bürgerinnen und Bürger an der Politik und in der Politik“. Bis heute hält der Rückzug ins Private an und betrifft alle Kreise von den Eliten bis zur Unterschicht. Nur lebensfremde Soziologen wie Anhänger der „Diskurstheorie“ des Philosophen Jürgen Habermas glauben, in der von ihnen imaginierten totalen Demokratie müsse es die Mehrheit der Menschen beglückend finden, sich an einem permanenten politischen Prozeß zu beteiligen. In flammenden Artikeln wird gefordert, den sozialen „Opfern der Exklusion“ wieder die Teilhabe am politisch-gesellschaftlichen Geschehen zu ermöglichen. Tatsächlich aber können viele Menschen mangels geistiger Fähigkeit am „kommunikativen Handeln“ überhaupt nicht teilnehmen, während andere (wohl die Mehrheit) gar nicht politisch mitwirken, sondern nur vernünftig regiert werden wollen. l Unantastbare Menschenwürde. Im November 2003 erklärte Johannes Rau bei der Grundsteinlegung für das Jüdische Gemeindezentrum in München unter Bezugnahme auf den zuvor aufgedeckten Anschlagsplan einer rechtsextremistischen Gruppe: „Jeder verliert seine Würde und Selbstachtung, der es zuläßt, wenn Würde und Selbstachtung eines anderen Menschen verletzt werden.“ Damit relativierte der damalige Bundespräsident den ersten Artikel des Grundgesetzes, den die demokratischen Tugendwächter wie eine Monstranz vor sich hertragen. Doch Rau sagte nur Selbstverständliches: Natürlich hat nicht jeder Mensch „seine eigene unveräußerliche Würde“ (Wolfgang Schäuble), auch ist die Menschenwürde keineswegs unantastbar. In seinem „Allgemeinen Brouillon“ (1798/99) notierte Novalis: „Wenig Menschen sind Menschen – daher die Menschenrechte äußerst unschicklich, als wirklich vorhanden, aufgestellt werden. Seid Menschen, so werden euch die Menschenrechte von selbst zufallen!“ Daraus erhellt, daß auch die Menschenwürde nicht angeboren ist, sondern erworben werden muß; umgekehrt gilt, daß man sie jederzeit wieder verlieren kann. Tatsächlich können viele Menschen mangels geistiger Fähigkeit am „kommunikativen Handeln“ überhaupt nicht teilnehmen, während andere (wohl die Mehrheit) gar nicht politisch mitwirken, sondern nur vernünftig regiert werden wollen. Welche Menschenwürde will man Vätern zugestehen, die ihre Babies vergewaltigen? Welche Würde den Eltern der siebenjährigen Jessica, die bei ihrem grauenhaften Hungertod keine zehn Kilo mehr wog? In seiner Verzweiflung hatte das Mädchen den Putz von den Wänden seines vermüllten, finsteren Zimmers gekratzt und gegessen; in seinem Magen fanden sich Büschel seiner eigenen Haare. Oder die Eltern des zweijährigen Kevin aus Bremen – waren sie nicht längst ihrer „unantastbaren Menschenwürde“ verlustig gegangen, als sie ihr Kind malträtierten und aufs schlimmste vernachlässigten? Eingewickelt in Plastiktüten, wurde Kevins Leiche mit Knochenbrüchen im Kühlschrank des Vaters gefunden. Wer angesichts solcher Monstrositäten von der „eigenen unveräußerlichen Würde“ jedes Menschen faselt, den kann man nicht mehr ernst nehmen. Im Oktober 2006 stellte der Bielefelder Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann in einem Interview mit der Zeit fest: „Es gibt eine Gruppe von Menschen, die weder demokratiefähig sind noch in der Lage, ihr Leben selbst zu organisieren. Etwa zehn Prozent der Eltern sind sozial völlig aus dem Ruder gelaufen, alkoholkrank, drogenabhängig, psychisch schwerst defizitär – das sind die, über deren Kindern täglich eine Katastrophe hängt.“ l Integration. Nach der Fußball-Weltmeisterschaft gefiel sich die politische Klasse in der Beschreibung Deutschlands als eines „fröhlichen, weltoffenen, toleranten Landes“ (Angela Merkel). Angesichts der mittlerweile 7,5 Millionen hier lebenden Ausländer ist jener Satz eher Beschwörung als Realität, denn in Wahrheit verschleiert er die wohl verhängnisvollste Lebenslüge der Republik. Neben den sozial-ökonomischen Aspekten birgt die Frage der Zuwanderung eine Problematik, deren politisch-kulturelle Sprengkraft sich erst allmählich abzuzeichnen beginnt: Wie kann die Integration von 2,6 Millionen Türken, gar von 3,5 Millionen Muslimen gelingen, die seit dreieinhalb Jahrzehnten ins Land strömen? Hier könnte sich bald neben der sozialen auch die nationale Frage stellen. Der Islam sei jetzt „Teil Deutschlands und Teil unserer Zukunft“, erklärte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble Ende September 2006 auf der ersten Islam-Konferenz. Daß dieser nicht mehr wegzuleugnende Tatbestand aus einem der folgenschwersten Fehler der Politischen Klasse Westdeutschlands resultiert, wagte bisher nur Altkanzler Helmut Schmidt offen auszusprechen: Als Handlanger der Wirtschaft habe man in den sechziger Jahren massenhaft anatolische Gastarbeiter angeworben und später den Nachzug ihrer Familien erlaubt, ohne die sozialen, kulturellen und politischen Konsequenzen zu bedenken. Daß diese Konsequenzen letztlich zu einem „fröhlichen, weltoffenen, toleranten Land“ führen, können nur multikulturelle Träumer glauben. Wem an Deutschlands Zukunft gelegen ist, der sollte daher linke Utopien und liberale Illusionen stets mit den harten Realitäten des Lebens konfrontieren – ganz im Sinne August Bebels, der erklärt hatte: „Es ist bereits eine revolutionäre Tat, zu sagen, was ist.“ Peter Kuntze war von 1968 bis 1997 Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“. Im Forum der JUNGEN FREIHEIT schrieb er zuletzt „Auf dem Weg nach Weimar“ (JF 47/06). Foto: Integrationsdruck: Wie kann die Integration von 2,6 Millionen Türken, gar von 3,5 Millionen Muslimen in Deutschland gelingen, die seit dreieinhalb Jahrzehnten ins Land strömen?

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