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Oskars langer Marsch

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Ausgerechnet am Jahrestag des Volksaufstands in der DDR treffen sich WASG und Linkspartei.PDS zu ihrem Fusionsparteitag – und das auch noch in Berlin. Wenn alles glatt über die Bühne geht, dann entsteht am kommenden Wochenende im Estrel-Hotel die neue Partei „Die Linke“ mit mehr als 70.000 Mitgliedern und staatlicher Parteienfinanzierung von über neun Millionen Euro jährlich. Der alte Traum von Gregor Gysi wird damit endlich wahr: die Westausdehnung der PDS, genauer gesagt die Etablierung einer (post-)kommunistischen Partei in ganz Deutschland. Seit 1990 hat er sich dafür ins Zeug gelegt und gekämpft. Doch all die Mühe war vergeblich. Ende der Neunziger stand es nicht so gut um die radikale Linke. Gregor Gysi und Lothar Bisky legten ihre Ämter nieder. Das SPD-Mitglied Oskar Lafontaine saß frustriert in seiner Villa in Saarbrücken und grollte gegen die Welt – vor allem aber gegen Gerhard Schröder. 2002 flog die PDS auch noch aus dem Bundestag. Von nun an sahen viele in ihr nur noch eine mitteldeutsche Regionalpartei, ein lästiges Anhängsel aus dem Osten, das allein lebensunfähig und langfristig zum Untergang bestimmt sei. „Die PDS kommt im Westen nicht an“, klagte Gregor Gysi. Doch dann machte Gerhard Schröder die Tür wieder sperrangelweit auf. Die Arbeitsmarktreformen mobilisierten den Protest im ganzen Land, vor allem im Osten. Obwohl Hartz IV steigende Sozialkosten zur Folge hatte, war das Thema zur Stimmungsmache ideal. Hartz IV ist Armut per Gesetz – wurde zum Motto des neuen Siegeszuges der PDS. Und auch im Westen formierte sich jetzt Widerstand, die WASG war geboren. Alleine wäre die WASG nie und nimmer lebensfähig gewesen. Ihr Führungspersonal mag aus gewieften Gewerkschaftssekretären bestehen – die Parteibasis rekrutiert sich jedoch überwiegend aus Sektierern, die oft schon „Karriere“ in anderen linken Splittergruppen gemacht haben. Ohne Geld und Verbündete hatte diese Formation keine Zukunftschancen. Und auch die schrumpfende PDS war allein kaum noch lebensfähig. Aber gemeinsam! Und so organisierten beide Parteien unter ihrem neuen Führer Oskar Lafontaine über alle Widerstände hinweg den Vereinigungsprozeß, dessen großer Auftakt der 8,7-Prozent-Erfolg bei der Bundestagswahl 2005 war. Schröder war damit als Kanzler erledigt, Rot-Grün stand ohne Mehrheit da. Lafontaine hätte jetzt aufhören können, aber er machte weiter. Er will die SPD weiter vor sich hertreiben. „Die SPD reagiert hilflos“, sagt er mit einem Lächeln. Derzeit ist die Linkspartei in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zweitstärkste Kraft. Neuerdings sitzt sie auch im ersten westlichen Landtag, der Bremischen Bürgerschaft. Hauptverlierer dieses Aufstiegs der Linken ist die SPD. Ihre Führung fürchtet weitere Verluste. Auch deshalb hat Kurt Beck Anfang der Woche sein „Die Union ist neoliberal“-Traktat unters Volk gebracht. Grund genug für WASG-Chef Klaus Ernst zu jubeln: „Wir drücken die SPD nach links.“ Auf den ersten Blick sieht der Zusammenschluß nicht wie die Fusion zweier gleichberechtigter Partner aus: Die Linkspartei.PDS ist viel mitgliederstärker und reicher (staatliche Parteienfinanzierung 2006: 8,5 Millionen Euro) – und das obwohl sie aus den neuen Ländern kommt. Die reichen Tanten aus dem Osten kommen mit dem Care-Paket zu den armen WASG-Brüdern und -Schwestern im Westen (staatliche Parteienfinanzierung 2006: nur 543.000 Euro). Aber ganz so ungleich sind die Verhältnisse nicht. Zwar stammen von den 70.000 Mitgliedern der neuen Linken 60.000 aus der PDS und nur 10.000 aus der WASG. Aber die Mitgliederstruktur der alten PDS weist überwiegend Rentner auf (deutlich mehr als fünfzig Prozent). Die 60.000 PDS-Mitglieder sind der klägliche Rest des 2,3-Millionen-Blocks, der die Staatspartei SED ausmachte. Vor zwei Jahren waren laut Parteiangaben gerade mal 7,7 Prozent der Mitglieder unter 41. Die WASG dagegen besteht erst seit 2004. So viele Mitglieder in so kurzer Zeit – das ist schon ein beachtlicher Erfolg. Eine andere Frage ist die des ungeklärten Verhältnisses zur Gewalt. Als Staatspartei ließ die SED ihre Gegner niederknüppeln, Flüchtlinge an der Grenze erschießen. Sie war die Partei des staatlichen Gewaltmonopols schlechthin. Dies änderte sich erst 1990. Plötzlich war militanter Widerstand gegen das „System“ möglich. Seitdem bestanden und bestehen Kontakte der Linkspartei zur extremen und gewaltbereiten Linken. Als Oskar Lafontaine letztes Jahr als Gast bei den Rosa-Luxemburg-Tagen in der Humboldt-Universität begrüßt wurde, erwähnte der Sprecher auch seine ebenfalls anwesenden Personenschützer. Ein Raunen ging durch den Saal, der unter anderem mit einem RAF-Sympathisantenplakat geschmückt war. Daß Lafontaine mal von einer Verrückten fast ermordet worden ist, bekümmerte die Versammelten offenbar weniger, als daß er jetzt zwei Polizei-Leibwachen mitbrachte. Nun tut sich etwas. Zwei Funktionäre der Linkspartei haben ein Thesenpapier zur Gewalt in Rostock verfaßt, in dem sie schwere Vorwürfe gegen die Randalierer erheben: „Der schwarze Block hat in Rostock vor allem ein Anliegen erfolgreich bekämpft – den legitimen und wirkungsvollen Demonstrationszug der Gewaltlosen.“ „Falsche Toleranz“ habe diesen „Sieg der Inhumanität“ möglich gemacht. Die Autoren plädieren für einen Bruch mit ihrem gewaltbereiten Flügel. Wer hätte das gedacht? Ist die „Linke“ also auf dem Weg zu einer „normalen“ Partei? Über kurz oder lang wird sie für die SPD als Partner in Frage kommen – spätestens wenn der Zorn der SPD-Genossen auf ihren früheren Chef Lafontaine verraucht ist. Dann werden sie mit den Links-Genossen wieder ins Koalitionsboot steigen. Schon heute ist es doch so, daß die Vertreter der Linkspartei das offen aussprechen, was viele Sozialdemokraten insgeheim denken: zu Auslandseinsätzen, zur Globalisierung, zu „Steuergeschenken“ für die Konzerne. Ein weiteres Beispiel ist der Mindestlohn. Weil die SPD ihn in der Koalition nicht durchsetzen kann, macht sie eine Unterschriftkampagne dafür. Ohne nennenswerte Wirkung, versteht sich. Aber jetzt haben Lafontaine und Co. den Spieß umgedreht und den Text dieser Unterschriftensammlung im Bundestag als Antrag eingebracht, und die SPD muß aus Koalitionsräson dagegen stimmen. Wie lange werden die Sozialdemokraten das mit sich machen lassen?

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