Zwei Nachrichten irritieren in den letzten Tagen als offensichtliche Vorboten einer neuen Leitkultur. Da verschiebt der Sender ARD einen für diesen Mittwoch, 20.15 Uhr, fest angekündigten Film („Wut“) um zwei Tage auf diesen Freitag und eine unattraktivere Sendezeit (22.00 Uhr), allein, weil der Spiegel alarmiert gemeldet hatte, das Fernsehspiel wolle „mit dem gutmenschlichen linksliberalen Köhlerglauben brechen, eigentlich seien Ausländer immer nur Opfer“. Der Film, der die Drangsalierung einer deutschen Familie aus dem 68er-Milieu durch einen jungen türkischen Drogenhändler thematisiert, will offensichtlich die Feigheit der Deutschen beim Namen nennen, sich gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen. Die Verschiebung des Filmes um zwei Tage und zwei Stunden aus Angst vor dem Vorwurf der „Fremdenfeindlichkeit“, womöglich „gerade nach dem NPD-Wahlsieg in Mecklenburg-Vorpommern“, bestätigt unfreiwillig die brennende Aktualität dieser hochkarätig besetzten Produktion: Corinna Harfouch spielt die schöne Gattin des vor den Trümmern seiner linksliberalen Visionen stehenden Professors, der unfähig ist, seinen friedfertigen Sohn und seine Familie gegen den an Virilität überlegenen türkischen Jungmacho zu schützen. Kaum hatte sich diese Nachricht verbreitet, machte schon die Meldung die Runde, daß die Deutsche Oper Berlin aufgrund einer „Gefährdungsanalyse“ des Landeskriminalamtes die Mozart-Oper „Idomeneo“ vom Programm gestrichen habe, weil man mit islamistischen Anfeindungen rechne. Die Inszenierung war bereits bei der Premiere im Dezember 2003 auf Kritik gestoßen. In ihr präsentiert König Idomeneo die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed und stellt sie auf vier Stühle. Es kam damals zu Tumulten im Opernhaus. Beide Nachrichten folgen dem Proteststurm, den eine von islamischen Medien verkürzt zitierte Rede des Papstes in den letzten Wochen bei Moslems ausgelöst hatte. Der Vatikan überschlug sich darin, den sich anbahnenden Flächenbrand der Wut unter den von Extremisten aufgestachelten islamischen Gläubigen einzudämmen. Dies alles fügt sich aber zu einem Gesamtbild der Schwäche, des Rückzugs vor einer wachsenden Macht in Europa. Das Christentum bittet mittlerweile fast flehentlich um einen „Dialog“, weil sich die Vorahnung zur konkreten Realität verdichtet, daß es schon lange nicht mehr um Bewahrung der Vormacht, sondern um das Überleben abendländischer Kultur in Europa geht. Die jungen Männer, die der Film „Wut“ porträtiert, ahnen nicht, daß sie Symbole dieses historischen Paradigmenwechsels sind. Sie repräsentieren den Vormarsch des Orients im Okzident. Nachdem die politisch-kulturelle Klasse des alten Europa bereits in den Jahrzehnten zuvor die eigenen Fundamente selbstmörderisch unterminiert hat, vollendet sie ihr Werk jetzt durch eine Politik des feigen Appeasement. Zeit wollen sie gewinnen – nicht für eine notwendige Kursänderung, sondern um die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Die Zukunft hat man bereits aufgegeben und lügt sie sich halbherzig mit aufgesetzter liberaler Multikulti-Brille schön. Europa beherrscht eine Leitkultur der Feigheit.