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Im Namen der Höflichkeit

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Sprechen Sie Deutsch?“ fragt der Schüler das Kamerateam, nachdem er auf seine erste Frage nach dessen Herkunft keine Antwort bekommen hat. „Ja, wir sind vom spanischen Fernsehen“, erhält er zögerlich Antwort. Verkehrte Welt auf dem Schulhof der Herbert-Hoover-Oberschule (Realschule) im Berliner Bezirk Wedding – sind die Journalisten doch gekommen, um zu ermitteln, ob die Schüler der Hausordnung ihrer Schule entsprechend deutsch sprechen oder sich doch eher auf türkisch, arabisch oder serbo-kroatisch unterhalten. Seit mehr als einer Woche befindet sich die Herbert-Hoover-Realschule mit ihrem Anteil von mehr als 90 Prozent Schülern nichtdeutscher Herkunft in einem wahren Belagerungszustand. Journalisten, Fotoreporter und Fernsehteams wollen die Schüler in Augenschein nehmen. Und letztere genießen die willkommene Abwechslung in vollen Zügen. Das Halbjahreszeugnis in den Händen, stürmen sie aus dem im Jahr 1886 fertiggestellten Schulgebäude, geben bereitwillig Auskunft und posieren freudig vor den Kameras. Danach geht es nach Hause. Auf dem Heimweg stehen sodann die Diskussion um die Zeugnisse im Vordergrund. „Eine Bes¸ (Fünf) in Deutsch, Spor eine Eins“, ist im typischen Sprachmix zu vernehmen. Parallel dazu gibt es Gespräche auf türkisch, arabisch oder eben auch auf deutsch – letzteres vor allem, wenn unterschiedliche Schüler-Gruppen miteinander kommunizierten. Wenn es um die Sprachfähigkeiten der Schüler an einem Großteil der Berliner Schulen geht, liegt so manches im argen. Dies ist seit Jahren bekannt, rückt aber immer seltener in die Schlagzeilen. Es sei denn, eine Schule wie die Kreuzberger Eberhard-Klein-Hauptschule erzielt einen neuen Rekord – „334 der 339 Schüler sind nichtdeutscher Herkunft“. Oder der Rektor derselben erklärt in aller Offenheit gegenüber der Berliner B.Z.: „Wenn sich deutsche Eltern hierher verirren, fühle ich mich verpflichtet, ihnen zu raten, ihre Kinder an einer anderen Schule anzumelden.“ Die Zahlen sprechen für sich. Der Anteil der Schüler nichtdeutscher Herkunft in Berlin steigt jedes Jahr um rund einen Prozentpunkt und liegt im Schuljahr 2005/2006 bei 25,7 Prozent (um die 90.000 von 340.000 Schülern). Knapp jeder dritte Berliner Erstkläßler ist mittlerweile ausländischer Herkunft. Den weitaus größten Anteil stellendabei die Schüler mit türkischen Wurzeln. Nicht selten herrscht gerade an den Hauptschulen ein babylonisches Sprachgewirr aus Türkisch, Vietnamesisch oder Arabisch, das nur schwer beherrschbar ist. Das Erlernen der deutschen Sprache gerät dabei ins Hintertreffen und muß in vielen Fällen in sogenannten Förderklassen mühsam nachgeholt werden. Selbst in der Realschule können viele Zehntkläßler keinen fehlerfreien Aufsatz schreiben und bleiben somit auf dem stark umkämpften Berliner Ausbildungsmarkt ohne Chancen. Die Deutsch-Leistungen an der Schule verbessern sich Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, hatte sich vor mehr als einem Jahr die mit Lehrern, Eltern und Schülern paritätisch besetzte Schulkonferenz der Herbert-Hoover-Schule – einer „Schwerpunktschule für Deutsch mit einem erweiterten Nachmittagsprogramm“ – zusammengesetzt und darauf geeinigt, Deutsch offiziell zur gemeinsamen Verkehrssprache im Schulbereich zu erklären. „Die Schulsprache unserer Schule ist Deutsch, die Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland. Jeder Schüler ist verpflichtet, sich im Geltungsbereich der Hausordnung nur in dieser Sprache zu verständigen“, hieß es seitdem in der Hausordnung. Die Schüler aus aller Herren Länder hielten sich daran, so gut es ging. Ging es nicht, fand sich also eine rein „türkische“ oder arabische Clique zusammen, mahnten die Lehrer im „Namen der Höflichkeit“ gegenüber den Mitschülern und Lehrern an die gemeinsame Abmachung. Sanktionen gab es keine. Viel Aufhebens wurde darum nicht gemacht. Im Gegenteil. Im Zusammenspiel mit einem von vier auf sechs Stunden pro Woche erhöhten Deutschunterricht in kleinen Gruppen besserten sich die Deutsch-Leistungen der Schüler. Es verbesserte sich auch der Ruf der Schule, erklärte die Rektorin Jutta Steinkamp gegenüber der Presse und verwies auf steigende Anmeldungszahlen. Doch allen positiven Erkenntnissen zum Trotz sprach die türkische Tageszeitung Hürriyet (siehe Stichwortkasten) plötzlich von Diskriminierung und Skandal und trat somit eine Welle zum Thema „Deutsch auf Schulhöfen“ los. Man habe „durch Zufall“ von der Hausordnung erfahren, erklärte ein Hürriyet-Mitarbeiter auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT. Doch der Zufall kam gerade zur rechten Zeit. Denn seit Wochen fährt das Blatt eine breite Kampagne gegen den sogenannten „Muslim-Test“ in Baden-Württemberg. Und so fiel die „Diskriminierungs“-Stimmungsmache auf fruchtbaren Boden. Überhastet zog das Wort von einem „Sprachverbot“ seine medialen Kreise. Die Bundesvorsitzende der Bündnisgrünen Claudia Roth sprach von einem „billigen Integrationsvorschlag“: „Der Schulhof soll nicht zum Kasernenhof werden.“ Der türkischstämmige Berliner Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu sah einen „Verfassungsbruch“. Die Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland verurteilte „das Sprachverbot“ „auf das Schärfste“, und der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sprach von einem „nationalistischen Bildungsauftrag“. Die Schüler verteidigen ihre Hausordnung „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht“, betonte dagegen Yener Polat, Elternvertreter der Hoover-Schule und Deutschtürke, gegenüber dem Tagesspiegel. Er steht damit keinesfalls allein. Auch die Hoover-Schüler standen zu ihrer Unterschrift unter die Hausordnung. Es gehe um ihre berufliche Zukunft und nicht um Lehrer-Schikanen, erklärten sie. Und werde man ermahnt, spreche man halt Deutsch und zwei Minuten später eben wieder Türkisch: „Weil man sich dann oft besser versteht.“ Vor allem der Schülersprecher der Hoover-Schule, der 17jährige Asad, dessen Eltern aus Pakistan kommen, hat die Botschaft der Schule sehr professionell in manches Mikrophon gesprochen. Am vergangenen Sonntag hatte er sogar die Möglichkeit, seine positive Sicht der Dinge bei Sabine Christiansen im Ersten zu erläutern. Gerade hier war dann aber auch zu erkennen, daß die Proteste gegen „Sprachverbote“ und „Diskriminierungen“ schwächer als erwartet ausfielen. Selbst Claudia Roth signalisierte plötzlich Zustimmung: „Wenn sich Eltern, Schüler und Lehrer allerdings freiwillig auf eine solche Maßnahme verständigten“ und es keine Sanktionen gebe, sei sie für ein solches Projekt. Nur Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde blieb bei seiner überaus dramatischen Sichtweise der türkisch-deutschen Beziehungen: „Die deutsche Mehrheitsgesellschaft und die türkische Gemeinschaft driften auseinander: Die Türken fühlen sich diskriminiert, die Deutschen wollen noch mehr Druck. Nach dem 11. September machte sich Mißtrauen gegen Muslime breit, dann die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft, noch mehr Mißtrauen nach den Anschlägen in London, jetzt der „Muslim-Test“ und die Deutschpflicht. Viele Türken denken: Jetzt reicht es. Es geht immer nur gegen uns. Vieles wird einfach über unseren Kopf hinweg beschlossen.“ Ein Viertel ohne Hauptschulabschluß Doch wurde nicht gerade die Schulordnung der Herbert-Hoover-Schule basisdemokratisch und mit der Unterstützung der türkischen Eltern und Schüler beschlossen? Für Tülay Usta vom Vorstand der Türkischen Elternvereine in Deutschland (Föted) ging es dabei allerdings nicht mit rechten Dingen zu. Ihre Bedenken richteten sich dagegen, „wie“ es den Schülern und Eltern von der Schulleitung „so schön verpackt verkauft“ wurde. „Wenn die Lehrer es nicht schaffen, im Unterricht Deutsch zu vermitteln, wie sollen es die Kinder in der Pause schaffen“, fügte sie sarkastisch zu. Die Skepsis hinsichtlich der „gefährdeten Selbstwertgefühle“ und der „schwindenden“ türkischen Sprachkenntnisse der Jugendlichen ist bei den türkischen Interessenvertretern groß. Ebenso groß ist aber auch das Bemühen der deutscher Stellen, den muttersprachlichen Unterricht zu fördern (siehe Bericht auf Seite 5). Wenn es aber darum geht, der „Sprachlosigkeit“ in den „türkischen“ Stadtvierteln Berlins oder Duisburgs zu begegnen, wo man kein Deutsch benötigt und auch keinen Kontakt zu Deutschen pflegt, finden Aktionen wie die der Hoover-Realschule bundesweit immer mehr Zustimmung. Denn die Probleme nehmen überhand. Ein nicht geringer Teil einer Generation scheint schon verloren. Die Sozialarbeiter in den Problemvierteln schlagen Alarm. Kein Wunder. Denn jedes Jahr verläßt knapp ein Viertel aller Berliner Schüler mit nichtdeutschem Hintergrund die Schule ohne Hauptschulabschluß, ohne Hoffnung und ohne jede Chance. Stichwort: Hürriyet Die Tageszeitung Hürriyet (Freiheit) gehört zum Imperium des türkischen Medienzaren Aydin Dogan. Das Boulevardblatt ist eine der drei größten Zeitungen in der Türkei und unterhält seit 2002 eine Europa-Ausgabe (Auflage 70.000 Exemplare, davon circa 70 Prozent in Deutschland). Einmal pro Woche (freitags) erscheint eine deutschsprachige Beilage. Das Blatt gilt als liberal-konservativ und ist türkisch-patriotisch im Sinne des Staatsgründers Kemal Atatürk. Fotos: Im Fokus der Medien: Die Schule im Berliner Bezirk Wedding befand sich tagelang im Belagerungszustand. Die Schüler genossen den Rummel., Herbert-Hoover-Oberschule: Das Gebäude wurde 1886 erbaut, Schüler der Hoover-Schule: Besser gerüstet für die Zukunft

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