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Der Blick ist verstellt

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Noch bis vor wenigen Tagen wurde die demographische Krise in Deutschland auf eine Zahl zugespitzt: 40 Prozent der deutschen Akademikerinnen seien kinderlos. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jetzt in einer neuen Studie belegte, liegt die Zahl hingegen bei 25 Prozent. Damit weicht die Zahl kinderloser Akademikerinnen weit geringer ab vom Durchschnitt (ca. 20 Prozent) als bislang behauptet. Laut FAZ soll die SPD-Bundesfamilienministerin Renate Schmidt jahrelang diese überhöhte Zahl bewußt verbreitet haben – entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Grund: Es ging unter Schmidt und geht auch unter der jetzigen CDU-Familienministerin von der Leyen um eine Familienpolitik, die die Realität ignoriert, weil man immer noch glaubt, diese einer ideologisierten Politik unterwerfen zu können. Die gängige Familienpolitik krankt daran, daß sie Familiengründung und Kinder als Betriebsunfall und Hindernis auf dem Wege der individualistischen Selbstverwirklichung ansieht. Und dies sowohl für Männer als auch für Frauen. Das gesellschaftliche Leitbild ist die erfolgreiche berufliche Karriere – ohne Familie, höchstens mit Familie als erduldetem, kostenneutralem Anhängsel. Endlos wird nun darüber debattiert, wie durch finanzielle Anreize, Ganztagesbetreuung und andere Maßnahmen eine Art Vollkaskoschutz aufgebaut wird für den großen „Belastungsfall“ Kind, der über junge Ehepaare hereinbricht wie ein Totalschaden. Fast alle familienpolitischen Vorschläge sprechen in aller Brutalität die materialistischen Instinkte potentieller Eltern an. Kinder seien eine Kostenfalle, eine Karriererisiko, schränken die Mobilität ein – also soll der Staat den Geldhahn aufdrehen. Daß der Staat den betreffenden Bürgern meistens das Geld zuvor aus der einen Tasche gezogen hat, um es ihm wieder in die andere hineinzustecken, steht auf einem anderen Blatt. Derzeit wird kaum bedacht, daß auf die Krise der Familie ganz woanders als auf materieller Ebene reagiert werden müßte: Wir müssen endlich über ein anderes gesellschaftliches Leitbild reden. Wenn derzeit die Erwerbstätigkeit der Maßstab gesellschaftlicher Anerkennung ist, ist es falsch, mit einem staatlichen „Müttergehalt“ zu antworten. Mutterschaft muß vielmehr wieder einen immateriellen Rang haben, eben einen höheren als den der Erwerbstätigkeit. Ein anderes Beispiel: Die Schulen verwenden große Energie darauf, in Sexualkunde Jugendliche darüber aufzuklären, wie sie Schwangerschaften verhindern können. Die Sexualaufklärung ist sinnvoll. Wie Schwangerschaften hingegen gelingen und daß sie mitsamt der Familiengründung zum selbstverständlichen Lebensplan und gesellschaftlichen Auftrag von Frau und Mann gehören, ist kein zentraler Lehrplaninhalt. Familiengründung und Kinder in die Welt zu setzen, ist ein Wert, der dem Materialismus unserer Zeit entgegensteht. Es bedeutet, nicht danach zu fragen: „Was bekomme ich dafür?“ Es bedeutet das In-den-Dienst-Stellen für eine immerwährende Generationenfolge, für die Gemeinschaft an sich. Ein Wert, ohne den kein Staat zu machen ist. Noch aber feiert der Individualismus seine letzten Exzesse.

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