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Marc Jongen, ESN Fraktion

Ermächtigung für Brüssel

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Jede Verfassung, so auch die jetzt in der EU zur Ratifikation anstehende, begründet eine neue Staatlichkeit. Die EU läßt sich zum Superstaat krönen und schickt sich an, ihre Mitglieder zu Protektoraten zu degradieren – auch ohne Truppeneinmarsch. Ein Uralt-Traum der Berufs-Europäer erfüllt sich, falls die betroffenen Nationen mitspielen und der Rechtsgrundlage ihrer fortschreitenden Entstaatlichung zustimmen. Was ist daran verwerflich? Erstens, das Verfahren und zweitens, noch fataler, die bereits heute absehbaren Folgen. In Deutschland hat das Volk anders als bei vielen Nachbarn zu Schicksalsfragen der Nation zu schweigen. Ein Grundmuster deutscher Demokratiegeschichte scheint kein Ende zu finden: Hierzulande werden Verfassungen „erlassen“. So war es mit der gescheiterten Reichsverfassung von 1848, den Nachfolgern von 1871 und 1919 und dem Grundgesetz von 1949. Das Volk hatte sie hinzunehmen, Mitreden oder Ablehnung standen nicht auf der Tagesordnung. Unsere jetzigen Volksvertreter halten es mit den Vorgängern aus monarchischen und paternalistischen Zeiten. Auch sie wissen besser, was dem Souverän guttut und er „besser wollen sollte“. Ob Abschaffung der D-Mark oder Aushebelung des Grundgesetzes – die vom Volk mit der Wahrnehmung seiner Interessen Beauftragten plagt kein Zweifel an ihrer Allwissenheit. Warum da noch fragen, das Volk oder die Sachverständigen? So was verbreitet nur Unruhe und Verwirrung! Doch diesmal könnte es anders kommen. Das Grundgesetz hat genau für diesen Fall, daß eine neue Verfassung die alte ersetzt, Vorsorge getroffen. Diese muß „vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen“ werden (Artikel 146). Konnte Karlsruhe bei der DM-Preisgabe noch mit Hinweis auf seine Inkompetenz in Währungsangelegenheiten „streiken“, beim Bruch der Verfassung zieht diese Ausrede nicht. Man darf gespannt sein. Noch bestürzender sind die Perspektiven, falls der „Verfassungsvertrag“, dieses Sammelsurium teils technisch-organisatorischer, teils tief in die nationale Parlaments- und Regierungsverantwortung eingreifender Bestimmungen, Realität werden sollte. Der europäische Superstaat, der mit jeder neuen Kompetenzverlagerung auf die Organe der EU entsteht, zerstört unten, in jedem Mitgliedsstaat, ein Stück gewachsener und gelebter Demokratie, das er oben – auf seiner Ebene – nicht wiederherstellen kann. Seine höchsten Organe: Europäischer Ministerrat und Brüsseler Kommission sind Exekutive und Legislative in einem, das Europäische Parlament eine Parteien-Vertreterversammlung ohne gesetzgeberische Kompetenzen und zureichende Kontrollfunktionen gegenüber den politischen Hauptakteuren, und der Europäische Gerichtshof verfügt über die Unabhängigkeit, mit seinen unanfechtbaren Richter- (oder Macht-)sprüchen jedes nationale Recht für unwirksam zu erklären. Dieses Europa garantiert keines der beiden zentralen Verfassungsgebote, an denen Immanuel Kant (in seinem Traktat „Zum ewigen Frieden“) den wahren Unterschied zwischen der „reinen Republik“ und der „Despotie“ ausmachte: die unverhandelbaren Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat und die unabdingbare Gewaltenteilung, die ihn vor seinen Übergriffen schützt. Wo immer „Gesetzgeber, Regierer und Richter“ nicht mehr geschieden sind, so Kant in seiner Rechtslehre, kann keine „rechtmäßige Verfassung“ entstehen. Doch die EU bereitet sie gerade vor, und der Deutsche Bundestag wird sie, wenn nicht ein Wunder geschieht, in einer unheiligen All-Parteien-Allianz absegnen. Allein dafür gehören diese Volksvertreter demokratisch zur Verantwortung gezogen. Doch der mächtigste Verbündete dieses Europas sind Big Business und Hochfinanz, auch und gerade in Deutschland. Die ökonomisch Großen und Mächtigen haben längst erkannt, welche Chancen ihnen Gemeinsamer Markt und Gemeinschaftswährung bieten. Der Euro hat die nationalen Produktions- und Investitionsstandorte fast beliebig austauschbar gemacht. Egal, wohin sie als Investoren und Anleger gehen – es gilt: Ein Euro ist ein Euro! Erst damit kommen die Vorteile des Arbeits-, Sozialkosten- und Steuergefälles in der EU voll zum Tragen. Die armen Euro-Länder können mit ihren niedrigen Arbeitskosten, Abgaben und Steuern bei gleichzeitig saftigen Inflationsgewinnen „werben“. Eine diese Rechnung durchkreuzende Abwertung wie früher von Währungen wie zum Beispiel Lira, Peseta, Drachme oder irischem Pfund ist nicht mehr zu befürchten. Dieses monetär subventionierte und egalisierte Währungs-Europa bietet den standortbeweglichen Großkonzernen und Finanzinvestoren weit größere Globalisierungsvorteile als der große weite Weltmarkt mit seinen nach wie vor drohenden Währungs- und Finanzrisiken. In den armen Euro-Ländern an der Peripherie herrscht ideales Investitionswetter, während es in den Kernländern der EU (Deutschland, Frankreich, Benelux) immer schlechter wird. Das große Kapital wandert mit Produktion und Arbeitsplätzen aus, während der an den Standort Deutschland gebundene Mittelstand die Zeche der sich eintrübenden Konjunkturaussichten zahlt. Er kann nicht auswandern, verliert aber fortwährend Nachfrage, Kundschaft und Wettbewerbsvorteile. Deutschland wird für seine noch immer hohe Produktivität bestraft. Es kann wegen der Billigkonkurrenz der armen EU-Länder seinen hart erarbeiteten hohen Lebens- und Sozialstandard nicht mehr aufrechterhalten. Gleichzeitig wandern, angelockt vom noch beträchtlichen Wohlstand, billige Arbeitskräfte aus den neuen Niedriglohnländern der östlichen EU-Peripherie ein. Der Arbeitsmarkt, das sensibelste aller Konjunkturbarometer, zeigt unmißverständlich an, wie es um die Zukunft bestellt ist: düster. Trotzdem erklärten und erklären noch immer Deutschlands Regenten von Kohl bis Schröder die Vollendung dieses Europas zur deutschen Staatsräson, obwohl im Grundgesetz anderes steht. Wann endlich wird Politikern wie Mittelständlern klar sein, daß dieses Europa die marktwirtschaftlichen Gesetze auf den Kopf stellt und der Marktwirtschaft die soziale Dimension nimmt? Dem Volk werden Wohlstandsopfer abverlangt, die weder nötig noch zu verantworten sind. Europas Völker haben nicht Demokratie, Rechts- und Sozialstaat erkämpft, um sie an einen Superstaat der Bürokraten, Monopole und Krisen zu verlieren – ein zweites Rußland, nur ohne Kommunismus. Der Aufstand gegen den EU-Vertrag wäre das Signal, daß die Gefahr erkannt worden ist und die Weichen neu gestellt werden. Denn Europa kann nur als ein Commonwealth gleichberechtigter und sich selbst bestimmender Völker überleben.

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