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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Eine deutsche Wende

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Deutschland vor der Wahl. Auf den letzten Metern vor dem Ziel hat der besessen um sein politisches Überleben kämpfende Kanzler Schröder in den Umfragen noch einmal aufgeholt. Der Linksblock aus Rot-Grün plus Linkspartei/PDS liegt Kopf an Kopf mit der bürgerlichen Opposition aus CDU/CSU und FDP. Es scheint fraglich, ob eine schwarz-gelbe Koalition kommt, die Große Koalition wird immer wahrscheinlicher. Daß der Vorsprung der Union geschmolzen ist, liegt auch daran, daß das, was sie als Alternative präsentieren wollte, vor den Augen des Publikums immer mehr verschwommen ist. Man kann sich über den Sinn des Steuerkonzeptes von Paul Kirchhof streiten – doch mit ihm und seiner Vision tauchte erstmals ein großer Wurf wenigstens auf finanzpolitischem Feld auf. Diese Nominierung bedeutete auch den Willen zum Angriff auf ein Steuer- und Sozialsystem, das reif für den Sperrmüll ist – wie ein altes Sofa, aus dem bereits die Sprungfedern herausragen. Es ist bezeichnend für die Verzagtheit, in der die deutsche Debatte steckt, daß sich die bürgerliche Opposition im Rahmen einer geschickten Kampagne von Rot-Grün Kirchhof hat als „Problem“ einreden lassen. Mutlos rückte sie schrittweise von ihrem Visionär ab und versuchte wieder kleinere Brötchen zu backen, die aber zunehmend nicht mehr von denen der heruntergewirtschafteten Regierung zu unterscheiden waren. Insofern ist die notwendige Konsequenz aus der wieder wachsenden Annäherung der politischen Lager tatsächlich eine Große Koalition. Im schlimmsten Fall bedeutet sie Stillstand. Im besten Fall führt sie zu einer Serie von fälligen Entscheidungen, die sich in einem solchen Rahmen widerstandsloser durchsetzen lassen. Die Eckdaten der deutschen Krise sind lange genug bekannt. Deutschland ist Schlußlicht beim Wirtschaftswachstum in Europa und hat eine der höchsten Arbeitslosenraten auf dem Kontinent. Deutschland befindet sich stärker noch als andere europäische Nationen in einem sich beschleunigenden demographischen Abwärtssog: Seit dem Geburtenknick durch Pille und Legalisierung der Abtreibung Anfang der siebziger Jahre werden jährlich durchschnittlich 300.000 Kinder zu wenig geboren, um die Vergreisung und langfristig das buchstäbliche Aussterben der Deutschen zu stoppen – der Hauptgrund, weshalb uns die Renten-, Gesundheits- und Sozialsysteme um die Ohren fliegen. Zusätzlich hält die Zuwanderung schlecht qualifizierter Ausländer nach Deutschland an, übersteigt die Geburtenrate vieler Migranten diejenige der Deutschen um das Doppelte, so daß ganze Stadtteile in den deutschen Metropolen kippen, Innenstädte verslummen, in manchen Brennpunkten ein geordneter Schulbetrieb aufgrund gescheiterter Integrationspolitik nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Parallel zur Einwanderung Niedrigqualifizierter hält die Abwanderung hervorragend ausgebildeter Deutscher unvermindert an. Deutschland vergrault seine besten Nachwuchskräfte durch Bürokratie, miserable Steuerpolitik und einen Mangel an optimistischem Patriotismus. Gunnar Heinsohn (Welt am Sonntag vom 11. September): „Da allein in den USA 20.000 deutsche Wissenschaftler tätig sind, läßt sich der Volksmund nur schwer widerlegen, der ‚Asse‘ weggehen und ‚Luschen‘ hereinkommen sieht.“ Egal welche Regierungskoalition nach dem 18. September die Geschäfte übernehmen wird: Sie kommt an einer schonungslosen Lageanalyse nicht vorbei. Die Bürger und Medien täten gut daran, wenn sie eine solche auch einforderten, anstatt das weitere In-die-Tasche-Lügen auch noch zu honorieren. Deutschland ist pleite, erstickt in Bürokratie und einem vollkommen undurchsichtigen und allein schon dadurch ungerechten Steuersystem, Bürger und Staat leben über ihre Verhältnisse, wir sind bequem (35/38-Stundenwoche, Urlaubsweltmeister, Frühverrentung) und die Antriebskräfte (Geburtenrückgang) lahm geworden. Aber: Es gibt die natürliche Bereitschaft, die Zähne zusammenzubeißen, die Ärmel hochzukrempeln, den Gürtel enger zu schnallen und zuzupacken – wenn das Ziel klar ist und an solche Bereitschaft appelliert wird! Überall da, wo die Menschen Eigenverantwortung tragen, geschieht dies. Der Mut zu Übernahme von Verantwortung in Bildung, Familie, Beruf und sozialem Engagement muß gestärkt werden. Der vielgescholtene Kirchhof fordert zu Recht: „Gebt den Bürgern unseres Landes Freiheit und Verantwortung für sich selbst immer dann zurück, wenn sie selbst dazu in der Lage sind.“ Deutschland leidet unter einem kollektiven Hospitalismus-Syndrom infolge eines hyperfürsorglichen Staates, der einerseits unselbständige und sich auf Transferzahlungen und Rundumversorgung verlassende Bürger in wachsender Zahl produziert, andererseits den schrumpfenden Rest für die explodierenden Kosten immer stärker ausplündern muß. Meinhard Miegel stellt fest, zusätzlich habe der materielle Wohlstand die „geistig-sittlichen Kräfte … erschlaffen lassen“, die notwendig wären, damit sich etwas ändert. Wir brauchen den Mut, neue Wege zu beschreiten! Nur mit unkonventionellen Ideen gibt es einen Ausweg aus der „großen Depression“, wie ein gerade angelaufener deutscher Kinofilm treffend titelt. Einige Beispiele für ungewöhnliche Maßnahmen wären: l Kampagne zur Rückholung von Deutschen im Ausland. Seit 1954 haben jährlich zwischen 50.000 und 140.000 Deutsche unserem Land den Rücken gekehrt. Per Saldo verlassen jährlich allein über 20.000 Deutsche ihre Heimat, um im Ausland ihr Glück zu suchen. Bevor über weitere Zuwanderung von Ausländern gesprochen wird, sollten Auslandsdeutsche und ihre Kinder dafür begeistert werden, wieder in Deutschland zu leben, zu arbeiten, zu investieren. Dies setzt aber voraus, daß in Deutschland nicht nur die ökonomischen Eckdaten stimmen, sondern auch wieder ein positives Selbstbild, auf gut deutsch Nationalbewußtsein transportiert wird, daß man stolz darauf ist, Deutscher zu sein, und auch bereit, seinem Land mit Freude zu dienen! Weiterhin verlangt dies eine Intensivierung der auswärtigen Kulturarbeit. Die Schließung von Goethe-Instituten muß gestoppt werden, und diese müssen wieder zu ihrem Auftrag zurückkehren, den guten Ruf deutscher Kultur und Sprache im Ausland zu mehren. l Kampagne zur Familiengründung: Wir brauchen eine neue Gründerzeit der Familie. Neben der Sexualerziehung in der Schule muß es fächerübergreifend eine Beschäftigung mit und Vorbereitung auf die Mutter- und Vaterrolle geben. Im Zentrum soll nicht Selbstverwirklichung, sondern der Auftrag zur Familiengründung und Stiftung von Leben stehen. Es muß den Mut geben, die Zöpfe der gescheiterten 68er abzuschneiden und Kinder und Familie als Lebensaufgabe regelrecht zu propagieren. Weg mit Frauen- und Gleichstellungs-, her mit Familienbeauftragten! 40 Prozent kinderlose Akademikerinnen sind ein dramatisches Alarmsignal! Es muß eine gesamtgesellschaftliche konzertierte Aktion geben, diesen verhängnisvollen Trend zu stoppen. l Kampagne für einen neuen Patriotismus: Immer wieder gab es in den letzten Jahren zaghafte Vorstöße zur Diskussion über „deutsche Leitkultur“, Angela Merkel wollte mehrfach eine „Patriotismus-Debatte“ anstoßen, die dann nie geführt wurde. Aufsehen erregt schon die beiläufige Bemerkung des neuen Bundespräsidenten Köhler in seiner Antrittsrede, daß er sein Land liebe. Deutschland fehlt Zukunftsoptimismus, weil seine Eliten lieber kollektiv auf der Couch liegen! Die deutsche Neurose gründet in der sogar immer weiter ins Absurde gesteigerten und perpetuierten Vergangenheitsbewältigung! Deutschland muß sich endlich seiner großartigen historischen Entwicklung seit Karl dem Großen vergewissern, ohne die dunklen Punkte zu verdrängen, sich vor allem wieder vergegenwärtigen, warum es noch existieren will und sich nicht in ein Geschichtsreservat verabschiedet. Aus den im kollektiven Unterbewußten gespeicherten, aber nicht im notwendigen Maße aktivierten Erinnerungen an die Höhe- und Wendepunkte deutscher Geschichte können wir die Kraft schöpfen, die das Land braucht, um künftige Herausforderungen zu bestehen. Die Herausforderung der alternden Gesellschaft ist doch nicht zu vergleichen mit der Tragödie des Dreißigjährigen Krieges, den Pestepidemien, die ganze Landstriche im Mittelalter entvölkerten, den Epochen der Fremdbestimmung, Zersplitterung und Spaltung, den Zeiten bitterster Not, die die Deutschen durchschritten und aus denen sie sich mit Erfindergeist, dem Willen zu Ordnung und Staat, aber auch unbeugsamem Freiheitswillen emporgearbeitet und -gekämpft haben. An diesen Geist muß appellieren, wer die Agonie beenden will! Es ist keine Zuversicht, kein Optimismus zu haben ohne die Bewältigung des „deutschen Komplexes“, ohne eine positive Definition deutschen Nationalbewußtseins. Und es sind durchaus erfreuliche Ansätze insbesondere unter jungen Künstlern erkennbar, dieses positive Selbstbewußtsein selbst in der populären Musik zu artikulieren! Noch fallen die Deutschen – eher ihre Eliten als das Volk – getrieben von einer Vergangenheitsbewältigungsindustrie in den Medien immer wieder atavistisch in verzückte Selbstzerknirschung und Angststarre zurück. Zur Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr hat dieses Land beispielsweise die einmalige Chance, zu zeigen, ob wir in der Lage sind, uns selbst stolz und selbstbewußt zu feiern, oder – was bedauerlich wäre – uns in kosmopolitischer Multikulti-Beliebigkeit verlieren, wie es selbst am Nationalfeiertag betrübliche Praxis ist. Es ist zu hoffen, daß eine neue Regierung den Mut hat, gravierende Reformen anzustoßen. Doch warum sollte das Leben auf Pump gestoppt werden, wenn derjenige, der spart, abgewählt wird? Gesamtgesellschaftlich ist also eine Renaissance alter preußischer Tugenden – Sparsamkeit, Ordnung, Disziplin, Unbestechlichkeit – notwendig. Dazu ist es nötig, den geistigen Schutt und Ballast der politisch verantwortlichen Generationen seit 1968 abzutragen, die unser Land in die jetzige Lage manövriert haben. Kommt es nicht zu dieser Renaissance der Werte aus der Mitte, so wird sie von außen erzwungen. Schon jetzt muß bestritten werden, daß die Union das konservative Element in der Politik repräsentiert. Selbst im unrealistischen Fall einer absoluten Mehrheit für die Union beabsichtigen Merkel und Stoiber nicht, die verheerendsten gesellschaftspolitischen Weichenstellungen wieder rückgängig zu machen, die Rot-Grün in den letzten sieben Jahren zu verantworten hat – Beispiel: Homoehe, Staatsbürgerrecht. Gar nicht daran zu denken, daß eine Verschärfung des Paragraphen 218 ins Auge gefaßt wird, um die alptraumhaft hohe Zahl von rund 250.000 ungeborenen, durch Abtreibung getöteten Kindern im Jahr zu senken. Ob Große Koalition oder Schwarz-Gelb: In der nächsten Legislaturperiode stellt sich mächtiger denn je die Repräsentationskrise des deutschen Parteiensystems als Problem. CDU und CSU wird es dauerhaft nicht gelingen, angesichts eines ausdifferenzierten linken bis linksliberalen Parteienspektrums den Alleinvertretungsanspruch im bürgerlichen Lager aufrechtzuerhalten. Die Neupositionierung einer „Linkspartei“ mit Oskar Lafontaine an der Spitze provoziert geradezu die Frage, warum es keine demokratische „Rechtspartei“ im deutschen Parteiensystem gibt. Daß es dabei nicht um eine rechtsextreme Partei geht, dürfte klar sein. Nicht erst der „Fall Hohmann“ zeigt aber, daß rechts neben der CDU eines Jürgen Rüttgers und einer Angela Merkel ein riesiges Vakuum klafft, das danach schreit, gefüllt zu werden.

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