BERLIN. Der Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek bewertet das Karlsruher ESM-Urteil als großen juristischen Erfolg für die Kläger. „Erstmals in seiner Geschichte hat das Bundesverfassungsgericht die Ratifikation eines völkerrechtlichen Vertrags davon abhängig gemacht, daß völkerrechtliche Vorbehalte erklärt werden“, so Murswiek im Interview mit der heute in Berlin erscheinenden JUNGEN FREIHEIT.
So hätten die Kläger beispielsweise erreicht, daß Deutschland statt der ursprünglich möglichen 700 Milliarden Euro nur noch maximal 190 Milliarden Euro in den ESM einzuzahlen habe. Zudem sei verhindert worden, daß der ESM eine Banklizenz erhalte, womit sich dieser bei der Europäischen Zentralbank unbegrenzt Geld hätte leihen können, erklärt Murswiek.
Dennoch sei das Urteil auch kritisch zu bewerten: Weder seien spätere ESM-Kapitalerhöhungen der Mitgliedsstaaten ausgeschlossen noch die Durchbrechung des Bail-out-Verbots thematisiert worden. „Kein Thema für Karlsruhe war auch der Umstand, daß die Rettungspolitik eine gigantische Vermögensumverteilung bewirkt, von den einigermaßen solide wirtschaftenden Ländern zu den Peripheriestaaten, im Ergebnis aber von den normalen Sparern, Rentnern und Steuerzahlern zu Großbanken und Großspekulanten“, meint Murswiek.
Prof. Dr. Dietrich Murswiek lehrt Öffentliches Recht an der Universität Freiburg. Er ist Verfasser und Prozeßbevollmächtigter für die Verfassungsbeschwerde des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler gegen den ESM