BERLIN. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst hat die Bundesregierung zu einer grundlegenden Reform des Rentensystems aufgefordert. Ziel müsse eine Lösung sein, die auch künftigen Generationen noch eine auskömmliche Altersversorgung sichere. „Eine große Rentenreform in dieser Legislaturperiode wäre gut“, sagte der CDU-Politiker dem Magazin Focus. Union und SPD traut er demnach am ehesten zu, das System „zukunftsfähig“ aufzustellen.
Wüst sprach sich dafür aus, die steigende Lebenserwartung der Deutschen stärker in die Rentenpolitik einzubeziehen. Der Staat dürfe nicht länger Anreize setzen, die Menschen vom Arbeiten abhielten, sagte er. Wer im Rentenalter weiterarbeiten wolle, solle steuerlich begünstigt werden. Druck sei nicht notwendig. „Er kann auch mal diejenigen steuerlich unterstützen, die im Rentenalter noch Lust auf Arbeit haben“, so der CDU-Ministerpräsident. Für Bürger in körperlich anstrengenden Berufen müßten aber die Rahmenbedingungen verbessert werden. „Nur so sind längere Lebensarbeitszeiten zu schaffen, ohne daß Menschen sich ‚kaputt arbeiten‘“, betonte Wüst.
Mit seinen Aussagen stellte sich Wüst hinter Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die die Debatte am Wochenende neu entfacht hatte. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte Reiche erklärt: „Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muß steigen.“ Deutschland müsse „mehr und länger arbeiten“, sagte sie mit Verweis auf internationale Vergleichszahlen. Demnach arbeiten Beschäftigte in den Vereinigten Staaten jährlich rund 1.800 Stunden, in Deutschland hingegen lediglich 1.340.
Voigt kritisiert Reiches Renten-Rechnung
Kritik an den Plänen kam nun aus der eigenen Partei. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) warnte vor einer Verschärfung der Debatte und sprach sich gegen eine Anhebung des gesetzlichen Eintrittsalters aus. „Ich lehne ein höheres Renteneinstiegsalter entschieden ab“, sagte Voigt dem Stern. Für viele Bürger, vor allem in belastenden Berufen, sei ein solches Modell „realitätsfern und schlicht nicht zumutbar“.
Anstelle „immer neuer Belastungsdebatten“ sei ein faires Rentensystem gefragt, mahnte Voigt. Dieses müsse sowohl den jahrzehntelang Einzahlenden als auch der jungen Generation gerecht werden. Gefragt seien flexible Übergänge in den Ruhestand anstelle starrer Altersgrenzen. „Wer ein Leben lang gearbeitet hat, hat ein Recht auf einen würdevollen Ruhestand – und auf eine Rente, von der man leben kann“, so der CDU-Politiker.
Schwarz-Rot setzt auf Freiwilligkeit
Die schwarz-rote Bundesregierung setzt beim Übergang in den Ruhestand auf Freiwilligkeit. Ein gesetzlich höheres Eintrittsalter ist nicht vorgesehen. Stattdessen sollen zusätzliche finanzielle Anreize das längere Arbeiten attraktiver machen.
Kernstück ist die sogenannte Aktivrente: Wer das reguläre Eintrittsalter erreicht hat und freiwillig weiterarbeitet, soll künftig bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei verdienen dürfen. Auch die Rückkehr zum früheren Arbeitgeber nach will die Regierung erleichtern. (sv)