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Zukunft der Bundeswehr: Top-General Sandrart rechnet mit Pistorius und der „Zeitenwende“ ab

Zukunft der Bundeswehr: Top-General Sandrart rechnet mit Pistorius und der „Zeitenwende“ ab

Zukunft der Bundeswehr: Top-General Sandrart rechnet mit Pistorius und der „Zeitenwende“ ab

Boris Pistorius und Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart
Boris Pistorius und Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart
Boris Pistorius (l, SPD), Bundesminister der Verteidigung, und Jürgen-Joachim von Sandrart, als Kommandierender General des Multinationalen Korps Nord-Ost beim 25jährigen Jubiläum des Nato-Kommandos für Nordosteuropa in Stettin im September 2024. Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Zukunft der Bundeswehr
 

Top-General Sandrart rechnet mit Pistorius und der „Zeitenwende“ ab

Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart wirft Pistorius und der Bundesregierung vor, den Floskeln von „Zeitenwende“ und „Kriegstüchtigkeit“ keine Taten folgen zu lassen. Und er schätzt die Gefahr eines Krieges brisant ein.
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BERLIN. Einer der Top-Generale der Bundeswehr hat kurz nach seiner Pensionierung scharf mit der ausgebliebenen „Zeitenwende“-Politik der Bundesregierung abgerechnet. Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart, bis Ende 2024 oberster Nato-Kommandeur an der Nordostflanke, schätzte in einem Interview mit Pioneer zudem die Kriegsgefahr durch Rußland als „hoch“ ein. Die Analyse des 62jährigen ist jedoch vor allem ein vernichtendes Urteil über die sicherheitspolitische Untätigkeit in Berlin.

Zwar habe Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit seiner Forderung, Deutschland müsse bis 2029 „kriegstüchtig“ sein, medial Aufsehen erregt – doch inhaltlich bleibe die Aussage vage, so von Sandrart. Der General zweifelte offen an der politischen Ernsthaftigkeit: „Diese Zahl 2029 ist im Wesentlichen politisch motiviert“, sagte er. Pistorius habe nie den Kontext geliefert, weshalb er zur Jahreszahl 2029 komme. Russland werde jedenfalls nicht bis dahin warten, sondern nutze die aktuelle Schwächephase der Nato, um gezielt seine militärischen Fähigkeiten auszubauen. Schon heute produziere Moskau mehr Waffen, als für den Krieg in der Ukraine nötig seien.

„Ich kann den Begriff Zeitenwende nicht mehr hören“

Das Problem liegt für von Sandrart nicht allein am Geld, um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Zwar habe der Bundestag erneut Milliardeninvestitionen in die Bundeswehr beschlossen, doch das reiche nicht: „Die Beschaffung von neuen Systemen, die sich erst im nächsten Jahrzehnt auswirken, macht uns im Moment nicht kriegs- und verteidigungsbereit“, warnte er. Der Begriff „Zeitenwende“, von Kanzler Olaf Scholz (SPD) geprägt, sei zur Floskel verkommen: „Ich kann den Begriff nicht mehr hören. Und auch ‚Kriegstauglichkeit‘ nicht. Das alles verpufft.“

Hinter der Rhetorik sieht der General vor allem strukturelles Versagen. Prozesse seien zu schwerfällig, Zuständigkeiten unklar, Reformen würden blockiert. Von Sandrart fordert eine „Kehrtwende, die sich nicht ausschließlich auf den monetären Aspekt bezieht“ – und deutet auch personelle Konsequenzen an: „Neues schaffen Sie nur mit Neuem“, sagt er. Alte Strukturen und Führungskräfte seien nicht in der Lage, die nötige Transformation zu leisten.

Von Sandrart kritisiert Pistorius scharf

Mit seiner Analyse stellt von Sandrart auch Pistorius selbst in Frage. Der Minister, in Medien oft als durchsetzungsstark und „volkstümlich“ gelobt, spricht laut dem General zwar richtige Sätze („Ohne die Menschen in Uniform ist das alles nichts“), doch seine Ankündigungen blieben folgenlos. Eine echte Strategie oder eine nachvollziehbare Priorisierung der Mittel sei bislang nicht erkennbar.

Sandrart warnte davor, sich in politischen Zeitplänen zu wiegen: Rußland könnte deutlich früher zuschlagen – etwa im Baltikum. Die Gefahr sei hoch, auch wenn ein Angriff aktuell nicht unmittelbar bevorstehe. „Wir müssen uns Sorgen machen um heute Nachmittag – und um Tonight.“ Bereits jetzt habe Rußland aufgrund seiner Hochrüstung die Fähigkeit für „einen limitierten, räumlich und zeitlich begrenzten Einsatz gegen Nato-Territorien, zum Beispiel in Estland, Lettland, Litauen oder in der berühmten Suwalki-Lücke – dem Landkorridor, der Kaliningrad von Weißrußland trennt.“

Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart wurde am 5. März 2025 mit einem Großen Zapfenstreich in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet. Sein Vater, General Hans-Henning Sandrart (1933–2013), war 1984 bis 1987 Inspekteur des Heeres der Bundeswehr. (hpr)

Boris Pistorius (l, SPD), Bundesminister der Verteidigung, und Jürgen-Joachim von Sandrart, als Kommandierender General des Multinationalen Korps Nord-Ost beim 25jährigen Jubiläum des Nato-Kommandos für Nordosteuropa in Stettin im September 2024. Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
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