BERLIN/KARLSRUHE. Die Kurdische Gemeinde Deutschland (KGD) hat beim Bundesanwalt in Karlsruhe Strafanzeige gegen Syriens Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa erstattet. Sie wirft dem unter dem Namen „Abu Muhammad al-Jolani“ bekanntgewordenen Islamisten Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie die Bildung und Führung terroristischer Vereinigungen vor.
Bei seinem Syrien-Besuch vergangene Woche hatte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) al-Scharaa ungewöhnlich herzlich begrüßt. Während des Händedrucks faßte er den Machthaber freundschaftlich mit der linken Hand an dessen rechten Oberarm. Kurz danach hatte er eine Rückkehr von nach Deutschland geflohenen Syrern in dessen Heimatland als unzumutbar zurückgewiesen.
Nun beantragte der KGD-Vorstand auch im Namen von Menschen, die Angehörige durch die Verbrechen dschihadistischer Milizen verloren haben, das Ermittlungsverfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch: Al-Scharaa trage „Mitverantwortung für den Völkermord an den jesidischen Kurdinnen und Kurden im Jahr 2014 sowie für fortgesetzte, systematische Gewalttaten gegen Minderheiten in Syrien und im Irak“, begründete der stellvertretende KGD-Bundesvorsitzende, Mehmet Tanriverdi, das Vorgehen.
Syriens Präsident soll tausende ermordet haben
Deutschland habe nach dem Weltrechtsprinzip die „Möglichkeit und die Pflicht, solche Täter strafrechtlich zu verfolgen, unabhängig davon, wo die Verbrechen begangen wurden“. Die KGD beruft sich auf Erkenntnisse internationaler Organisationen und UN-Berichte. Demnach war al-Scharaa unter dem Decknamen al-Jolani „eine zentrale Führungsperson des sogenannten ‚Islamischen Staates‘, als dieser am 3. und 4. August 2014 den Völkermord an den Jesiden in Shingal verübte“.
Dabei seien Tausende Menschen „verschleppt, versklavt, gefoltert, vergewaltigt oder ermordet“ worden. Die Oberlandesgerichte Frankfurt am Main (2021), Koblenz (2022) und München (2024) hatten diese Taten als Völkermord eingestuft.
Die KGD wirf al-Scharaa auch vor, nach seiner Abspaltung vom „Islamischen Staat“ weitere Verbrechen begangen zu haben. So hätten die „Hay’at Tahrir al Sham“ (HTS) und andere Gruppierungen unter seiner Führung „weitere schwere Menschenrechtsverbrechen“ begangen. Darunter fielen die Vertreibung und Enteignung der kurdischen Bevölkerung in Afrin, Gewaltakte gegen alawitische Zivilisten im März 2025 und Massaker an der drusischen Bevölkerung im Süden Syriens im Sommer 2025.
Merz lädt Al-Scharaa ein
Erst am Dienstag hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) al-Scharaa nach Deutschland eingeladen. Ein Termin für die Gespräche unter anderem über Rückführungen syrischer Flüchtlinge steht noch aus. Das geplante Treffen sieht die KGD mit „erheblichen Bedenken“. In der Pressemitteilung heißt es: „Wie kann Deutschland zugleich Strafverfolgung einleiten und einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher einen Aufenthalt ermöglichen?“
Der Besuch könnte brisant werden: Die KGD beantragte auch die Aktivierung eines internationalen Haftbefehls im Falle einer Einreise al-Scharaas nach Deutschland. (fh)







