BERLIN/ERFURT. Der Bundestagsvizepräsident und ehemalige Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hat sich im Rückblick wohlwollend über die Entscheidung der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert, im September 2015 die Grenzen für Asylbewerber zu öffnen (JF berichtete). Er empfinde „hohen Respekt“ für die Politikerin, betonte Ramelow. Merkel habe ihre Entscheidung in einer historischen Situation fällen müssen, „unter Umständen, die dramatischer nicht sein könnten“, zitierte die dpa.
Kritik äußerte Ramelow hingegen an der AfD. Diese habe Asylbewerber zum Hauptfeindbild gemacht. „An der Grenze schießen zu lassen, wäre eine Variante gewesen, die sich Frau von Storch gewünscht hat, daß man auf Frauen und Kinder schießt.“
Er selbst sei am 5. September 2015 in Saalfeld anwesend gewesen, als dort etwa 570 Asylbewerber mit einem Zug aus Ungarn angekommen seien. „Wir hatten eine Reaktionszeit von drei oder vier Stunden, um uns damit auseinanderzusetzen, was es bedeutet, wenn 540 Personen schlagartig ankommen.“ An diesem Abend habe er ein Signal setzen wollen – und die anwesenden ehrenamtlichen Helfer mit seiner Präsenz als Ministerpräsident von möglichen Übergriffen schützen wollen.
Ramelow will mehr Einwanderung aus Maghreb-Staaten
Es seien nicht genügend Sicherheitskräfte vor Ort gewesen, um für Ruhe sorgen zu können. Hätte sich die gesamte Menge bewegt, hätte seiner Auffassung nach Panik ausbrechen können. „Deswegen habe ich diese Ansprache gehalten, die mir jetzt von Rechtsradikalen immer vorgehalten wird“, sagte der Linken-Politiker. Unter anderem hatte Ramelow damals verkündet, es sei „der schönste Tag seines Lebens“ und er könne „weinen vor Freude“.
Zehn Jahre nach 2015 sinke die Zahl der Einwohner Thüringens weiter. Und das, obwohl „jeder vierte Arzt in Thüringer Krankenhäusern nicht Deutscher“ sei und „darunter auch eine ganze Reihe aus Syrien“, sagte Ramelow. Wären die Asylbewerber damals nicht gekommen, „würde auch manch ein AfDler sein Amazon-Paket gar nicht bekommen“.
Die Asylpolitik der aktuellen Thüringer Landesregierung sieht der Politiker nach eigenen Angaben kritisch. Ein vor kurzem in Betrieb genommenes Abschiebegefängnis in Arnstadt bezeichnete er als „unglaublich teuren Populismus“, der „kein Ansatz“ sei, mit dem man „irgendwas lösen“ könne. Es brauche ein Einwanderungsgesetz und klare Regeln für die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte. „In Vietnam werben wir gezielt und offensiv an. Warum können wir das nicht auch in den Maghrebstaaten?“
Merkel bekommt Verdienstorden
Auch die Staatskanzlei des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern äußerte sich am Mittwoch positiv über Altkanzlerin Merkel – und gab bekannt, daß die Politikerin der Verdienstorden des Landes verliehen werden soll. Die offizielle Auszeichnung soll Ende September im Stralsunder Rathaus stattfinden.
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wolle nach eigenen Angaben damit das politische Wirken der Ex-Kanzlerin würdigen. Merkel habe „Deutschland mit Beharrlichkeit, Geschick und entschlossenem Handeln in herausfordernden Zeiten auf Kurs gehalten“. Schwesig habe großen Respekt vor dem, was Merkel als Bundeskanzlerin für das Land geleistet habe.
Der Verdienstorden Mecklenburg-Vorpommerns wird seit 2001 vergeben. Ausgezeichnet wurden unter anderem der Industrielle Berthold Beitz, die Kunsthistorikerin Kornelia von Berswordt-Wallrabe und der Künstler Günther Uecker. Zuletzt erhielt im Juli der in Greifswald geborene Fußballprofi Toni Kroos die Auszeichnung. (lb)