TÜBINGEN. Nach der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer Zweifel an der Stichhaltigkeit der vorgelegten Begründung geäußert. In einem Facebook-Beitrag kritisiert der ehemalige Grüne, daß der Verfassungsschutz in dem über 1.100 Seiten langen Dokument nur vor allem bekannte öffentliche Äußerungen der Partei zusammengetragen: „Wenn der Spiegel nicht einfach schlecht informiert ist, hat der Verfassungsschutz vor allem zusammengetragen, was öffentlich bekannt ist.“
Besonders problematisch findet Palmer, daß sich die Belege für die Einstufung hauptsächlich auf das Themenfeld Migration beziehen. „Begriffe wie ‘Messermänner‘ sind politische Zuspitzungen, aber kein Beleg für Rassismus“, schreibt er und verweist auf Unterschiede in Gewalterfahrungen zwischen Herkunftsregionen, die laut ihm sozial und nicht genetisch bedingt seien.
Palmer: „Waren Kohl und Koch Verfassungsfeinde?“
Auch das völkische Nationenverständnis der AfD wertet Palmer als kritisch, hält aber eine pauschale Einstufung als verfassungsfeindlich für gewagt: „Nur stramm rechts zu sein und migrationsfeindlich ist nicht verboten.“ Weiter: „Immerhin war das Blutsrecht in der BRD noch weitgehend Realität.“ Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts 2000 habe dies verbessert. „Aber waren Helmut Kohl und Roland Koch Verfassungsfeinde, weil sie am alten Recht festhielten?“
Mit Blick auf ein mögliches Parteiverbot warnt Palmer davor, ein juristisch nicht belastbares Verfahren anzustrengen, das der AfD politisch nutzen könnte. Die Vorwürfe er sei AfD, Rassist, Nazi oder Meinschenfeind seien für ihn erwartbar. Aber er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß die Karlsruher Richter die Partei auf dieser Grundlage als verfassungsfeindlich einstufen würden. (mp)