BERLIN. Über das Wochenende haben zahlreiche CDU-Politiker gefordert, der Bundestag und die neue Bundesregierung sollten ein AfD-Verbotsverfahren einleiten. Die Stimmen kommen dabei nicht mehr nur vom linken Flügel, sondern auch vom vermeintlich konservativen. Auf die Union wird es bei dem Antrag fürein AfD-Verbot ankommen, denn nur mit ihrer Fraktion gäbe es eine Mehrheit. SPD, Grüne und Linke stehen geschlossen dafür.
Parteichef Friedrich Merz hat die Debatte laufen lassen und sich bisher nicht eingeschaltet. Politische Beobachter werten das als Sorge um die knappe Kanzlermehrheit von nur zwölf Abgeordneten. Am morgigen Dienstag will sich der CDU-Vorsitzende zum Regierungschef wählen lassen. Egal, mit welcher Haltung er sich in die Debatte einschaltet, könnte ihn das Stimmen kosten und die Wahl scheitern lassen, so die Vermutung.
In einem Gastbeitrag für die Welt forderte der frühere JU-Chef und heutige Bundestagsabgeordnete Tilmann Kuban, Bundestag und Bundesregierung mögen ein Verbotsverfahren gegen die AfD anstrengen. Ohne Beispiele zu nennen, schrieb der als konservativ geltende Politiker, die Partei sei „nachweislich von rechtsextremen Strukturen durchsetzt, zunehmend radikal in Sprache und Programmatik“.
AfD-Verbot als historischer Moment
Im AfD-Verbot sieht Kuban, die Chance etwas Historisches zu schaffen: „Es gibt Momente in der Geschichte, in denen Demokraten Farbe bekennen müssen. Wir erleben einen solchen Moment.“ Dabei bezog er sich ausdrücklich auf das „Gutachten der Bundesregierung“. Diese ist allerdings abgewählt und besteht nur aus SPD und Grünen.
Kuban machte damit implizit auch klar, daß es sich beim Verfassungsschutzgutachten eben nicht um ein ohne politischen Einfluß zustande gekommenes Papier handelt. Dies hatte die scheidende Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einer Pressekonferenz behauptet, die sie allein in ihrer hessischen Heimat abhielt. Ein Vertreter des Verfassungsschutzes war nicht dabei gewesen. Ihr Ministerium hat das Gutachten auch nicht fachlich geprüft. Die weisungsgebundene Behörde hat nach dem Rückzug von Thomas Haldenwang (CDU) keinen Präsidenten mehr.
Zuvor hatte schon der CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, dem Spiegel gesagt: „Der Bund muß jetzt zügig ein AfD-Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen.“ Er forderte Merz damit auf, tätig zu werden, um die Konkurrenz loszuwerden.
Dobrindt: „Ich bin da skeptisch“
Während Merz weiter schweigt, äußerte sich am Abend erstmals der designierte Innenminister und Faeser-Nachfolger, Alexander Dobrindt (CSU). Er habe die Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ erwartet, sagte der der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Aber ein Verbot einer Partei ist noch einmal etwas ganz anderes. Ich bin da skeptisch, weil das Aggressiv-Kämpferische gegen unsere Demokratie – das muß dann noch ein Wesensmerkmal sein.“ Das Verfassungsgericht habe zurecht „hohe Hürden“ für ein Parteiverbot aufgestellt. Er sei der Überzeugung: „Man muß die AfD nicht wegverbieten, man muß sie wegregieren.“ Deshalb müsse man sich über die Themen unterhalten, die die AfD großgemacht haben.
CDU-Abgeordnete wollen diese inhaltliche Auseinandersetzung nicht eingehen, sondern ein schnelles Verbot: Der Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter sagte dem Tagesspiegel: „Durch die Einstufung der gesamten AfD als gesichert rechtsextremistisch und die Erklärung, daß die Bestrebungen der AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind, macht ein Überprüfungsverfahren im Vorgriff auf ein mögliches Verbotsverfahren dringlicher und erfolgversprechender“.
CDA will sofortiges Verbotsverfahren
Ähnlich äußerte sich am auch der Bundesvorstand der CDU-Arbeitnehmerschaft, CDA. Er forderte im Stern ein sofortiges Verbotsfahren: „Das wird ein großer gesellschaftlicher Kraftakt, den wir jetzt wagen sollten, um Schlimmeres zu verhindern.“
Vage blieb dagegen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Zu einem AfD-Verbotsverfahren äußerte er sich nicht, sondern sagte lediglich, die Position seiner Partei zur AfD „bleibt gleich“. Dann wiederholte er: „Es wird keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben. Umso wichtiger ist es, daß die neue Bundesregierung die Probleme der Menschen löst und Deutschland neue Zuversicht gibt.“ Nach der Kanzlerwahl am Dienstag wird erwartet, daß sich Merz und damit auch Linnemann deutlicher äußeren. (fh)