BERLIN. Der frühere Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat beklagt, daß die politische Debattenkultur im Parlament zunehmend verarme. „Die meisten Abgeordneten können nicht mehr frei reden und haben Angst vor den Reaktionen der Menschen“, sagte der Liberale in einem Gespräch mit der Welt.
Eine Ausnahme sieht Kubicki bei der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek, deren Auftreten er als „erfrischend“ lobte. Sie liefere sowohl „Sätze als auch Auftreten“ mit „TikTok-Material“ und beweise dadurch „intellektuelle Brillanz“.
Positiv äußerte der Liberale sich auch über Robert Habeck. Während der Jamaika-Verhandlungen von 2017, habe der Grünen-Politiker noch als unkomplizierter Gesprächspartner gegolten. „Habeck war mal ein angenehmer Mit-Trinker“, sagte Kubicki. Während des Gesprächs mit der Welt trank Kubicki mehrere Gläser Wein. Doch „ein Jahr, nachdem er Bundesvorsitzender der Grünen geworden ist“, habe sich Habecks Persönlichkeit spürbar verändert.
Kubicki fordert ein „back to the roots“
Auch in der eigenen Partei nehme er eine Veränderung wahr, sobald Verantwortung hinzukomme. „Bei allen Leuten in Berlin verändert sich die Persönlichkeit, insbesondere wenn sie in hohe Regierungsämter kommen. Natürlich auch in meiner Partei.“ FDP-Chef Christian Lindner nannte er dabei ausdrücklich. In solchen Positionen gehe es „nur noch um Staatskunst“, die persönliche Haltung trete in den Hintergrund. „Mir war das immer egal. Mein Selbstwertgefühl resultiert nicht daraus, welches Amt ich gerade habe.“
Zugleich kritisierte er den Trend zur Zurückhaltung unter jüngeren Abgeordneten. Seinen früheren Fraktionskollegen Konstantin Kuhle habe er mehrfach aufgefordert, sich stärker zu profilieren. „Aber er hat gesagt, er hat Angst vor dem Shitstorm.“
Die FDP müsse sich wieder auf ihre Grundprinzipien besinnen, forderte Kubicki. „Freiheit! Wenn Leute auftauchen und anderen vorschreiben wollen, wie sie ihr Leben gestalten sollen, dann müssen wir kommen und sagen: so nicht.“ (sv/mit KI)