BERLIN. Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) hat sich offen für eine Neubewertung des Unvereinbarkeitsbeschlusses seiner Partei im Umgang mit der Linkspartei gezeigt. „Wir werden gemeinsam darüber zu sprechen haben“, sagte Frei am Mittwoch in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv. Zwar könne der geltende Parteitagsbeschluß nicht „mit einem Federstrich“ aufgehoben werden, doch müsse man angesichts der aktuellen Lage „die eine oder andere Frage neu bewerten“.
Derweil forderte die Vorsitzende der Linkspartei, Ines Schwerdtner, die Union auf, ihre Partei künftig stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden. „Ich erwarte von der Union, daß sie sich nicht nur meldet, wenn die Hütte brennt, sondern auch bei anderen politischen Entscheidungen, wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Bei allen kommenden politischen Entscheidungen möchte ich deshalb nicht mehr den Eiertanz haben, wer auf wessen Anrufbeantworter spricht.“

CDU brauchte Linkspartei zur Kanzlerwahl
Hintergrund ist die Wahl des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zum Bundeskanzler am Dienstag. Im ersten Wahlgang erhielt Merz lediglich 310 Stimmen und verfehlte damit die notwendige Kanzlermehrheit von 316 Stimmen. Es war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, daß ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang scheiterte.
Um einen zweiten Wahlgang noch am Dienstag durchzuführen, brauchte Merz eine Zwei-Drittel-Mehrheit. AfD und Linkspartei hatten sich zeitig dafür angeboten. Letztlich einigten sich die Fraktionen von Union, SPD, Grünen und Linkspartei auf einen gemeinsamen Antrag – dem dann auch die AfD zustimmte. Aus den Reihen der Fraktionen links der Mitte hieß es dazu wiederholt: Die AfD dürfe nicht normalisiert werden, daher müsse die Union mit den Linken paktieren. Im zweiten Wahlgang wurde Merz mit 325 Stimmen zum Bundeskanzler gewählt – drei weniger, als Schwarz-Rot Abgeordnete hat.
Die CDU hält bislang an einem Unvereinbarkeitsbeschluß fest, der sowohl eine Zusammenarbeit mit der AfD als auch mit der Linken ausschließt. Dieser war auf einem Bundesparteitag beschlossen worden und ist formell weiterhin in Kraft. (sv)