BERLIN. Das Auswärtige Amt hat entschieden, in dieser Woche mehrere Afghanen trotz Unregelmäßigkeiten im vorangehenden Prüfprozeß einzufliegen. Die betreffenden Personen sollen am Mittwoch in einem Flieger sitzen, mit dem voraussichtlich gut 150 Afghanen nach Deutschland kommen, berichtet die Bild. Bereits vor einer Woche war ein Charterflug mit 155 Personen an Bord in Berlin gelandet.
„Die Auswahl der Personen ist völlig undurchsichtig, die Identität in vielen Fällen zweifelhaft oder sogar vollständig ungeklärt“, zitiert die Zeitung einen namentlich nicht genannten „hochrangigen Regierungsbeamten“. Sie nennt zwei konkrete Beispiele: So habe das Auswärtige Amt für Mittwoch die Einreise einer neunköpfigen Familie durchgewunken, obwohl in deren Dokumenten Geburtsdaten „vollkommen willkürlich“ eingetragen worden seien.
Außerdem sei ein Ehepaar für den Flug zugelassen worden, das offenbar eine gefälschte Heiratsurkunde vorgelegt habe. Dem Außenministerium habe es letztlich gereicht, daß das angebliche Paar statt einer echten Urkunde „eine chronologisch sortierte Fotosammlung“ eingereicht habe, „die die eheähnliche Beziehung der beiden Personen belegen sollte“.
Lediglich zwei Afghanen sind ehemalige Ortskräfte
Das Verfahren zur Aufnahme von Afghanen in Deutschland steht immer wieder in der Kritik. Die Afghanen kommen über verschiedene Programme, etwa über das Verfahren zur Aufnahme vormaliger Ortskräfte oder über das Bundesaufnahmeprogramm, das den Schutz von Gruppen vorsieht, die durch die Taliban besonders gefährdet sein sollen. Im Flieger am Mittwoch sollen nach Bild-Angaben lediglich zwei Ortskräfte mit Angehörigen sitzen.
Anfang Februar berichtete der Business Insider von einem internen Vermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom September 2024, in dem ein Abteilungsleiter deutliche Kritik an den Verfahren des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan geübt hatte. Er merkte demnach unter anderem an, daß die Visastelle des Auswärtigen Amtes Dokumentenfälschungen nicht als Verfahrenshindernis begreife, während die Sicherheitsorgane sie „durchweg als Sicherheitsbedenken“ einstuften.
Der Abteilungsleiter kritisierte zudem, daß dem staatlichen Prüfverfahren im Aufnahmeprozeß Nichtregierungsorganisationen vorgeschaltet sind. Diese wählen zunächst aus, welche Afghanen für das Aufnahmeprogramm in Frage kommen. Erst später prüfen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die deutsche Botschaft in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, die Sicherheitsbehörden und schließlich die Visastelle des Auswärtigen Amtes den Antrag.
Union spricht von „ungeheuerlichem Vorgang“
„An keiner Stelle liegen allen beteiligten Stellen alle relevanten Informationen zu den Afghanen gebündelt vor“, zitiert die Bild nun einen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden. Die Zeitung behauptet, der Visa-Entscheider im Auswärtigen Amt, der die finale Entscheidung trifft, kenne zwar das Votum der Sicherheitsbehörden, „aber weder die Inhalte noch den Antragssteller“. Auch würden die Sicherheitsbehörden selbst nicht erfahren, ob ihrem Votum letztlich gefolgt wurde.
Deutliche Kritik kam am Dienstag von der Union. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei ein „ungeheuerlicher Vorgang“, daß das Auswärtige Amt für Mittwoch den nächsten Charterflug plane. Es dürfe nicht sein, daß die scheidende Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) „noch wöchentlich bis zu zwei Flüge nach Deutschland organisiert“. Vielmehr solle die neue Bundesregierung darüber entscheiden. CDU, CSU und SPD befinden sich aktuell in Sondierungsgesprächen zur Bildung einer neuen Regierung.
Laut Auswärtigem Amt sind bislang rund 36.000 Afghanen über verschiedene Verfahren nach Deutschland eingereist. Hinzu kommen rund 3.000 Personen, die eine Aufnahmezusage erhalten haben sollen. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte unlängst, die bereits erteilten Einreisezusagen müßten nun auch erfüllt werden. „Aber es gibt keine neuen Aufnahmezusagen.“ Die Sicherheit habe im Verfahren „oberste Priorität“. (ser)