POTSDAM. Der brandenburgische Verfassungsschutz betreibt nach Angaben der Landesregierung 287 sogenannte „Fake-Accounts“ in den sozialen Netzwerken. Zunächst hatte sie die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag unter Verweis auf das „Staatswohl“ verweigert. Nach einem Konfrontationsschreiben der Fraktion lieferte die Landesregierung die Zahlen nach. Unklar bleibt, auf welchen Plattformen die virtuellen Agenten aktiv sind und in welchen sogenannten Phänomenbereichen sie eingesetzt werden.
Der AfD-Abgeordnete Fabian Jank sieht in der Weigerung der Regierung, weitere Angaben zu machen, eine unzulässige Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle. „Die Bürger sollen offenbar nicht erfahren, wie sie auf Facebook, Instagram oder TikTok von Fake-Accounts überwacht werden – oder daß sich hinter vermeintlich rechten Hetzern in Wirklichkeit staatlich bezahlte Agenten verbergen.“ Die Fraktion kündigte ein Organstreitverfahren an, um die vollständige Offenlegung der Informationen zu erzwingen.
Kritik an Heimlichtuerei wächst
Seine Fraktionskollegin und innenpolitische Sprecherin Lena Kotré betonte, der Bürger „hat ein Recht darauf zu erfahren, mit welchen Methoden das Innenministerium arbeitet“. Die Verweigerung der parlamentarischen Kontrolle verglich der AfD-Abgeordnete Jean-Pascal Hohm mit dem SED-Regime. „Im Osten erinnern solche Praktiken zwangsläufig an die Methoden der DDR-Staatssicherheit.“
Bereits Anfang April hatte das Landesinnenministerium erklärt, eine Offenlegung könne den Einsatzerfolg gefährden. Die beobachteten Gruppen könnten in der Folge auf andere Plattformen ausweichen. Zudem verwies die Regierung auf Paragraph 6a des brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes, das enge Grenzen für etwaige Straftaten durch virtuelle Agenten vorsehe.
Thüringer Urteil zwingt nicht alle Länder zum Umdenken
In den Bundesländen gibt es keine einheitliche Praxis im Umgang mit Anfragen zu Fake-Profilen. Ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofes vom November 2024 hatte der dortigen AfD-Fraktion teilweise recht gegeben. Die Richter erklärten, nicht alle Informationen zur Tätigkeit in sozialen Netzwerken seien geheimhaltungsbedürftig. Während das Land Berlin im selben Jahr bereits Zahlen offengelegt hatte, weigert sich Brandenburg weiterhin, entsprechende Details zu nennen.
Auch Sachsen und Sachsen-Anhalt setzen digitale V-Leute ein. Der sächsische Verfassungsschutz betreibt nach Regierungsangaben Fake-Accounts „im dreistelligen Bereich“. Innenminister Armin Schuster (CDU) begründete die Geheimhaltung mit dem Schutz des „Einsatzerfolgs“. In Berlin wiederum wurden 236 Profile benannt, die im Internet für Beobachtungen genutzt würden.
Bundesamt äußert sich nur vage
Auch auf Bundesebene wird der Einsatz virtueller Agenten nicht umfassend offengelegt. Das Bundesinnenministerium verwies in einer Antwort auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich ebenfalls auf das „Staatswohl“. Helferich warf dem Verfassungsschutz vor, „rechtsextreme agents provocateurs heranzuzüchten“, um diese dann der „patriotischen Opposition“ anzudichten. Dies sei „ein einmaliger Vorgang für eine Demokratie“.
Verläßliche und aktuelle Zahlen auf Bundesebene existieren daher nicht. Im Jahr 2022 hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz hunderte rechtsextreme Fake-Accounts betreibt. Ein ungenannter Behördenleiter erklärte damals: „Das ist die Zukunft der Informationsbeschaffung.“ Seit 2019 habe die Behörde massiv in sogenannte virtuelle Agenten investiert, die mit Steuergeldern bezahlt werden. Diese seien auch in der islamistischen und linksextremen Szene aktiv.
Laut Bericht gehe es darum, „selbst ein bißchen rechtsradikal zu spielen“, um das Vertrauen anderer Nutzer zu gewinnen. Eine Agentin sagte gegenüber dem Blatt, man müsse selbst pöbeln und hetzen, um glaubwürdig zu wirken. Mittlerweile gebe es so viele solcher Profile, daß bundesweite Absprachen nötig seien, um keine gegenseitige Enttarnung zu riskieren. (sv)