BERLIN. Der Migrationsforscher Daniel Thym hat Zweifel am Erfolg der Migrationspolitik von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geäußert. „Natürlich haben Grenzkontrollen eine Auswirkung“, sagte er dem Nachrichtenportal The Pioneer. Diese würden Asylmigranten abschrecken. Sie seien allerdings nur „ein kleiner Grund, warum weniger gekommen sind.“
Faeser hatte Anfang April ihre Politik als Erfolg gewertet. Die Innenministerin verwies auf einen Rückgang der Asylzahlen: „Es gab im März so wenig Asylgesuche wie zuletzt Anfang 2021, also mitten in der Corona-Pandemie.“ Tatsächlich wurde im ersten Quartale 2025 ein Rückgang der Asylanträge um 35 Prozent im Vergleiche zum Vorjahreszeitraume verzeichnet.
Weltlage vermindere Migration nach Deutschland
Dieser Rückgang ist laut Thym vor allem darauf zurückzuführen gewesen, daß weniger Menschen überhaupt in die EU gelangten. „Die Länder entlang der Reiserouten, vorneweg Tunesien in Nordafrika, aber auch Serbien und andere Länder auf dem westlichen Balkan, sind deutlich strenger geworden“, erklärte der Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz. Daher seien Asylmigranten „überhaupt weniger in die Europäische Union“ gekommen.
Hinzukomme die veränderte Lage in Syrien. „Das führt dazu, daß einige Syrer offenbar abwarteten, wie die Situation sich weiterentwickele, anstatt illegal nach Deutschland zu kommen“, meinte Migrationsforscher Thym. Daher seien auch die Antragszahlen in Deutschland jüngst rückläufig gewesen.
Grenzkontrollen seien „Kontrollsignale an die eigene Bevölkerung“
Die Frage, ob Grenzkontrollen demnach Symbolik für die eigene Bevölkerung seien, bejahte Thym. „Das sind sie. Das sind Kontrollsignale an die eigene Bevölkerung.“ Die von Friedrich Merz (CDU) versprochenen Zurückweisungen an den Grenzen könnten zudem ein „mächtiges Signal“ an Herkunfts- und Transitländer senden. „Dann können solche Zurückweisungen durchaus bewirken, daß deutlich weniger Menschen sich auf die Reise machen.“
Wie und in welchem Umfange an Grenzen zurückgewiesen werden soll, wird derzeit noch von Union und SPD diskutiert. Die Sozialdemokraten meinen, die künftige Bundesregierung werde nur mit Zustimmung der Nachbarländer agieren – CDU und CSU widersprechen. Thym prognostizierte einen Mittelweg: „Man wird irgendwie guten Willens mit den Nachbarländern in Kontakt treten müssen und eben guten Willens versuchen, mit denen ein Arrangement zu finden.“
Unwillige Heimatländer – „Wir können sie nach Kenia schicken“
Und diese Abstimmung könne Deutschland letztlich zu strengeren Regeln zwingen. Noch im April erwarte der Migrationsforscher einen Vorschlag der EU-Kommission, in dem die Anforderungen an sogenannte sichere Drittstaaten abgesenkt werden sollten – auch, damit dort Asylverfahren stattfinden könnten, wie etwa von der italienischen Regierung bereits angestrebt.
Als Lösung für Abschiebungen von Angehörigen unwilliger Staaten würden dann Drittstaaten angesprochen. „Wir schicken Menschen aus Somalia, deren Asylantrag abgelehnt wird, nicht nach Somalia, weil da klappt es nicht“, erläuterte der Professor. „Wir können sie aber nach Kenia schicken, weil wir mit Kenia ein Arrangement gefunden haben, daß die Leute dort ordnungsgemäß untergebracht werden.“ Ob die abgeschobenen Somalier dann in Kenia blieben oder in ihre Heimat zurückkehrten, sei offen. (sv)