ERFURT. Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag hat die Neutralität der Staatsanwaltschaft Erfurt angezweifelt. Letztere stellte am Freitag ihre Ermittlungen gegen die Verfassungsrichter Jörg Geibert und Klaus-Dieter von der Weiden ein. Die AfD-Fraktion hatte am Dienstag Strafanzeige wegen Rechtsbeugung – Paragraph 399 Strafgesetzbuch – gestellt.
„Die außergewöhnlich schnelle Entscheidung der Staatsanwaltschaft steht im deutlichen Kontrast zur äußerst schleppenden Bearbeitung, wenn Vertreter der AfD zum Ziel von Strafanzeigen werden“, teilte der Justitiar der Fraktion Sascha Schlösser mit. Von der Schuld der zwei Richter sei die AfD-Fraktion weiterhin überzeugt.
Eine Sitzung eskaliert
Was war passiert? Seinen Anfang nahm der Streits während der konstituierenden Sitzung des Parlaments in Erfurt Ende September. Die Sitzung wurde mehrfach unterbrochen, nachdem die Fraktionen von CDU, BSW, SPD und Linke gegen die Sitzungsleitung des Alterspräsidenten Jürgen Treutler (AfD) protestiert hatten. Vehement wurde dessen Auslegungen zur Geschäftsordnung und zum Ablauf der Sitzung bestritten. Treutler hatte sich zudem geweigert, über Geschäftsordnungsanträge unmittelbar abstimmen zu lassen.
„Was Sie hier machen, ist Machtergreifung“, hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, dem sitzungsleitenden Treutler vorgeworfen. Der erteilte dem CDU-Politiker zwei aufeinanderfolgende Ordnungsrufe. Anlaß war zunächst ein Geschäftsordnungsantrag Bühls, der die Feststellung der Beschlußfähigkeit und eine anschließende Wahl der Schriftführer verlangte. Alterspräsident Treutler wollte jedoch erst die Tagesordnung verlesen, woraufhin ihm der CDU-Politiker fehlende Überparteilichkeit vorwarf. Der Alterspräsident habe lediglich zeremonielle Funktion und müsse den Geschäftsordnungsantrag der CDU zwingend verhandeln lassen, dies sehe das Selbstverwaltungsrecht des Parlaments vor, so Bühl.
Sitzung endete mit Eklat
Treutler legte Wert darauf, daß nach der geltenden Geschäftsordnung erst die Wahl einer Landtagspräsidentin oder eines -präsidenten vorzunehmen sei. Dieses Amt stehe von jeher der stärksten Fraktion zu. Dies ist im neuen Landtag die AfD. Von dieser üblichen parlamentarischen Gepflogenheit sei man noch nie abgewichen: „Die Wähler erwarten, daß wir dem gerecht werden“, forderte der Alterspräsident.
Genau darum war aber bereits im Vorfeld gestritten worden. In einem Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung wollten CDU und BSW erreichen, daß nicht nur der stärksten Fraktion das Vorschlagsrecht für den Parlamentspräsidenten zusteht, sondern auch alle anderen Fraktionen einen Kandidaten benennen dürfen. Linkspartei und SPD hatten ihre Zustimmung signalisiert. Die Sitzung wurde schließlich abgebrochen, nachdem die CDU-Fraktion Klage vor dem Verfassungsgerichtshof erhob und schließlich recht bekam.
Die Krux: Verfassungsrichter Jörg Geibert ist selbst CDU-Mitglied und ehemaliger Innenminister. Zudem sitzt sein Sohn für die Partei als Abgeordneter im Landtag und eben jener Fraktion, die Klage einreichte. Von der Weiden als Präsident der Behörde sah dabei offenbar keinen Fall von Befangenheit. Die AfD erstatte daraufhin Anzeige gegen die beiden Richter.
AfD kündigt weitere Schritte an
Nun stellte die Staatsanwaltschaft in Erfurt ihre Ermittlungen ein. Laut dem juristischen Fachmagazin Legal Tribune Online (LTO) sehe die Behörde keine Anhaltspunkte für eine Straftat. Denn Sohn Geibert gilt laut der weisungsabhängigen Staatsanwaltschaft nicht als am Verfahren Beteiligter. Somit könne Vater und Richter Geibert gar nicht das Recht zu dessen Gunsten beugen.
Jedoch – so ordnet es LTO ein – hätte die Besorgnis der Befangenheit angenommen werden können. „Die Besorgnis der Befangenheit – Paragraph 14 VerfGHG Thü – scheint mir gegeben“, sagte Rechtsanwalt für öffentliches Recht Sebastian Rossner dem Magazin. „Eine Landtagsfraktion ist zwar eine juristische Person, aber sie besteht aus wenigen, miteinander politisch eng verbundenen Mitgliedern, so daß der Sohn nicht hinter der Fraktion zurücktritt.“
Dies hätte die AfD-Fraktion allerdings bereits im Verfahren vor dem Verfassungsgericht anmerken müssen. „Um die persönlichen Verbindungen von Richter Geibert wird auch die AfD gewußt haben“, so Roßner. Die Fraktion gibt sich jedoch nicht geschlagen. „Wir prüfen derzeit unter anderem ein Beschwerde- und Klage- bzw. Ermittlungserzwingungsverfahren“, kündigte Justitiar Schlösser an. (sv)