BERLIN. Mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 auf sogenannten Außerortsstraßen will Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Klimawandel bekämpfen. Dabei bezieht sie sich auf die Studie „Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ im Auftrag des ihr unterstellten Umweltbundesamtes. Diese allerdings weist zahlreiche Unzulänglichkeiten auf.
Daraus machen die neun Autoren der 360 Seiten starken Untersuchung auch keinen Hehl. Die Umweltministerin ignoriert sie jedoch, um ihr Ziel durchzusetzen. Sie veröffentlicht schlicht das Ergebnis. Demnach würden sich die Emissionen im Straßenverkehr bei dem von ihr geforderten Tempolimit um 5,1 Prozent verringern. Das entspricht acht Millionen Tonnen CO₂. Es liegt damit plötzlich drei Mal so hoch, wie eine Studie desselben Umweltbundesamtes vor drei Jahren errechnet hat.
Geschwindigkeitsberechnungen sind falsch
Fehler Nummer 1: Um die tatsächliche gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit zu ermitteln, griffen die Forscher auf sogenannte Floating-Car-Daten (FCD) des Navigationssystems „TomTom“ zurück. Die Zahlen sind allerdings fünf Jahre alt. Dabei liegen, wie „TomTom“ mitteilt, aktuelle Daten vor, die bei der Studie jedoch ignoriert wurden. Seit der Spritpreisexplosion vor einem Jahr dürften sie sich deutlich nach unten verändert haben. Außerdem sind die Daten keineswegs repräsentativ, sondern decken nur 15 Prozent der Autofahrer ab. Das räumen die Autoren der Studie auch ein.
Fehler Nummer 2: Zuverlässiger dürften Verkehrszählstationen auf den Autobahnen sein. Denn dort wird jedes Auto erfaßt. Darauf berief sich 2021, also vor zwei Jahren, eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Demnach fahren nur 23 Prozent aller Fahrzeuge auf Abschnitten ohne Tempolimit schneller als 130 Stundenkilometer. Bei den von der UBA-Untersuchung bevorzugten „TomTom“-Daten sind es jedoch 37 Prozent. Ähnlich ist es bei Fahrzeugen, die dort schneller als 160 km/h fahren: „TomTom“: 10 Prozent, Verkehrszählstationen: 2 Prozent.
Würde jeder das Tempolimit einhalten?
Fehler Nummer 3: Die Studie geht davon aus, alle Autofahrer würden beim Tempolimit nicht schneller als 120 km/h fahren. Wie unwahrscheinlich diese Annahme ist, weiß jeder, der schon mal auf Autobahnen unterwegs war. Außerdem: Wäre dem tatsächlich so, hätte der Staat 2022 nicht mehr als 40 Millionen Euro aus Bußgeldern für Geschwindigkeitsüberschreitungen eingenommen.
Die neue UBA-Studie nutzt also veraltete und zudem noch Zahlen, die weder repräsentativ sind noch plausibel erscheinen. So erklärt sich der falsche, aber vielzitierte Satz in der Pressemitteilung der Behörde: „Tempolimits könnten mehr Treibhausgase sparen als bisher gedacht.“ (fh)