DRESDEN. Der Dresdener Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt sieht im Aufgeben konservativer Positionen durch die CDU den Hauptgrund für den Aufschwung der AfD. „Es gibt nun mal in Deutschland auch Rechte, nicht nur Mittige und Linke. Die Rechten waren früher bei der CDU gut aufgehoben“, sagte der 70jährige dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
In der CDU habe es einst immer jemanden gegeben, der für die Rechten sprach. „Als dann aber unter Angela Merkel die CDU angefangen hat, nur noch eine Partei der Mitte sein zu wollen, und als die CDU sich strategisch darauf einzurichten begann, daß ihre Zukunft in Koalitionen mit den Grünen liegen würde, sind die Rechten immer mehr vernachlässigt worden. Sie wurden sozusagen heimatlos.“
Patzelt: Besorgte Bürger als „Rassisten“ beschimpft
Der Umgang mit der Migration sei das wichtigste Thema, das die Menschen von der Union zur AfD geführt habe. Nie sei erwogen worden, „ob es bei andauernd starker Migration aus dem islamischen Kulturkreis womöglich Begleitprobleme gäbe“. Stattdessen seien Menschen, die diese Sorge äußerten, „einfach als Rassisten“ beschimpft worden.
„Ausgangspunkt war die Behauptung, alle von AfDlern vorgebrachten Sorgen wären nur Hirngespinste ohne jede Grundlage in der Wirklichkeit“, sagte Patzelt, der sich unter anderem mit Studien zur Pegida-Bewegung einen Namen gemacht hat. Die Politik habe bestritten, daß „es Zuwanderung von besorgniserregender Art“ gebe.
CDU befinde sich in „strategischer Sackgasse“
Der Vorwurf an die Kritiker lautete stattdessen: „Messerstechereien oder sexuelle Übergriffe von Migranten würden rein rassistisch aufgebauscht.“ Auch Probleme mit dem Euro gebe es demnach nicht, Inflation sei nicht zu befürchten, und Atomkraftwerke könne man unbesorgt abschalten. Aber: „Mit den Positionen der AfD zu alledem haben die allermeisten sich nie ernsthaft auseinandergesetzt.“
Der CDU bescheinigte Patzelt, sie befinde sich „in einer strategischen Sackgasse“. Durch den Abfluß der Wähler zur AfD, habe sie „keine anderen Chancen mehr auf die Regierungsmacht als in Bündnissen mit der SPD oder den Grünen“. Dann aber könne sie für den Wähler auch keine Alternative mehr zur herrschenden Ampel-Politik sein.
Ampel-Koalition setzt CDU-Kurs fort
Darüber hinaus bemerkten viele, „daß die Ampel-Koalition im Grunde nur die Politik der CDU/SPD-Koalition unter Angela Merkel fortsetzt, nur eben wuchtiger und mit etlichen Fehlern bei der Regierungstechnik“. Patzelt: „Was viele Leute heute an der Ampel verdrießt, das verdroß gar nicht wenige im Grunde schon an Angela Merkels Politik.“ Ampel-Politiker erinnerten die CDU „zu Recht“ immer wieder daran, „daß beispielsweise sie selbst jene Energiewende gewollt hatte, die jetzt eben umgesetzt werde“.
Die Menschen sagten sich, so der Forscher: „Jetzt wählen wir die AfD, weil jede Stimme für die CDU am Ende doch nur die Grünen oder die Sozialdemokraten an die Macht bringt“. Patzelt: „In dieser selbstgewählten Sackgasse verzwergt nun die CDU, und wird nicht länger als politisch mögliche Alternative zur Regierung wahrgenommen.“
Bürger nicht bevormunden
Daher sei es „denkfaul, das Hochkommen der AfD mit der Ampelpolitik zu erklären“. Im Raum stehe vielmehr ein „weißer Elefant“. Denn anders, als von schwarzen bis grünen Politikern „immer wieder vorgebetet“, habe sich das Migrationsthema eben nicht erledigt: „Immer wieder bemerken viele im Land, daß ein sehr großer Teil der Zugewanderten weder in unser Arbeitsleben noch in unsere Alltagskultur integriert ist.“
Mehrere empirische Untersuchungen zeigten, daß „quer über die EU-Staaten die Abgeordneten im Durchschnitt weiter links stehen als die sie wählende Bevölkerung, und daß überall im Durchschnitt die Politiker weitergehende Migration klar stärker befürworten als die von ihnen repräsentierten Staatsvölker“.
Werner J. Patzelt appellierte, man solle nicht fürsorglich die Leser oder Hörer bevormunden, indem man ihnen Informationen vorenthalte, „die sie vielleicht auf als falsch erachtete Gedanken bringen könnten“. Hier löse politische Prüderie die überwundene sexuelle Prüderie nahtlos ab. Wichtig sei dagegen eine kritische Haltung, die ihrerseits dann rationale Diskussionen auch über unangenehme Themen ermögliche. (fh)