BERLIN. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hat Ostdeutschen einen Hang zur Diktatur vorgeworfen. „Vielleicht sind die irgendwo in der Diktaturverherrlichung hängengeblieben, weil dort jemand anderes für sie alles lösen mußte“, sagte die Politikerin am Freitag im Gespräch mit dem Tagesspiegel.
Der Wahlerfolg der AfD im thüringischen Sonneberg zeige, daß viele Ostdeutsche nach wie vor noch nicht in der Demokratie angekommen seien. Dies widerspreche dem Erbe der friedlichen Revolution von 1989. „Wir sind aber für Freiheit auf die Straße gegangen, die friedliche Revolution hatte diesen demokratischen Kern. Wer heute damit nichts anfangen kann, sollte sich fragen, wie sein Leben wäre, ohne diese Freiheit“, mahnte die 57jährige.
Göring-Eckardt: Auch Politiker dürfen Unsinn erzählen
Das betreffe auch die Freiheit, „Unsinn zu erzählen oder Fehler zu machen“. Diese Freiheit gelte allerdings auch für Politiker. Sie habe Verständnis dafür, wenn sich manche Menschen im Osten überfordert fühlten. „Deswegen muß man aber keine rechtsradikale Partei wählen“, betonte sie.
Die Frage, ob ihre eigene Partei zum Beispiel mit dem Heizungsgesetz nicht zum Aufstieg der AfD beigetragen habe, verneinte sie. „Ich bin Protestantin und immer bereit, Schuld auf mich zu nehmen. Aber in dieser Frage sage ich: Nein, wirklich nicht.“ Die Ampel-Koalition hätte den Bürgern ihre Reformen besser erklären müssen. „Vielen Leuten war das Problem, daß die Preise für fossile Energie immer weiter steigen werden, nicht bewußt“, äußerte sie.
Göring-Eckardt macht „Tour de Demokratie“ durch den Osten
Seit Anfang des Monats hatte sich die gebürtige Thüringerin auf einer „Tour de Demokratie“ durch Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt begeben, um Menschen kennenzulernen, „die für Demokratie und Zusammenhalt in unserem Land stehen und das jeden einzelnen Tag leben“.
Heute starte ich auf meine #TourDeDemokratie. 10 Tage lang fahre ich mit Rad und Bahn durch Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Ich freue mich auf Orte und Menschen, die für Demokratie und Zusammenhalt in unserem Land stehen und das jeden einzelnen Tag leben. pic.twitter.com/Y3n1CWVj6N
— Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) July 10, 2023
In Dresden besuchte Göring-Eckardt beispielsweise die „ABC-Tische“ genannte Initiative für Integration in Deutschland. „Wie heißen wir Menschen in Deutschland willkommen? Die ABC-Tische in Dresden sind ein gutes Beispiel. Hier werden große und kleine Fragen des Alltags besprochen – und ganz nebenbei Deutsch gelernt. Dieses Miteinander ist gelebte Demokratie“, unterstrich die ehemalige Grünen-Parteichefin.
Wie heißen wir Menschen in Deutschland willkommen? Die ABC-Tische in Dresden sind ein gutes Beispiel. Hier werden große und kleine Fragen des Alltags besprochen – und ganz nebenbei Deutsch gelernt. Dieses Miteinander ist gelebte Demokratie. #TourDeDemokratie pic.twitter.com/pQIXxVxA8e
— Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) July 12, 2023
Leif-Erik Holm (AfD) verbittet sich Vorwürfe gegen Ostdeutsche
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Leif-Erik Holm, verwahrte sich unterdessen vor Pauschalurteilen gegenüber der ostdeutschen Bevölkerung. „Daß viele Ostdeutsche lieber die AfD als die Grünen wählen, hat ganz sicher gar nichts mit Diktaturverherrlichung zu tun“, mahnte der gebürtige Schweriner der JUNGEN FREIHEIT gegenüber. Mit ihren Äußerungen begebe sich die Grüne auf „das traurige Niveau des einstigen Ostbeschimpfungsbeauftragten Marco Wanderwitz“.
Offenbar stehe auch Göring-Eckardt fernab von jeder Realität. Die Bürger hätten die Nase voll von „grüner Gängelungs- und Bevormundungspolitik, die ihnen bis ins kleinste Detail vorschreiben will, wie sie zu denken, zu reden, zu leben und neuerdings auch zu heizen haben“. Die Menschen wollten Freiheit, Demokratie und ein selbstbestimmtes Leben und keine Politiker wie Göring-Eckardt, die Bürger als „Diktaturverherrlicher“ in die Ecke stelle, nur weil sie den „grünen Verbots-Irrsinn“ ablehnten, unterstrich der Landesvorsitzende der AfD in Mecklenburg-Vorpommern.
Zuletzt hatte der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, den Ostdeutschen unterstellt, sie seien nicht zur Demokratie fähig. „Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig“, kommentierte der Medienmogul in von der Zeit veröffentlichten Privatnachrichten das Wahlverhalten in den neuen Bundesländern. (fw)