AfD und Grüne können deutlich zulegen, SPD und CDU fahren Verluste ein, und die FDP fliegt aus dem Landtag. Welche Partei konnte bei welchen Wählern punkten? Wie wählten Erstwähler? Und was bewegt die Wähler? Zehn Erkenntnisse aus der Niedersachsen-Wahl.
1. AfD punktet bei ehemaligen CDU- und FDP-Wählern
Die AfD kann insbesondere bei ehemaligen CDU- und FDP-Wählern punkten. Von der Union gewinnt die Partei 40.000, von der kleineren FDP stammen ebenfalls 40.000 Wähler. Zuwächse erreicht die AfD dazu auch von der SPD (plus 25.000 Wähler) und von den Nichtwählern (plus 25.000). Der Großteil kommt jedoch aus dem bürgerlichen Milieu.
2. AfD-Wähler sorgen sich um Wirtschaft und Migration
Auf die Frage, welche Sorgen sie umtreiben, dominieren bei den AfD-Wählern Wirtschaft, Migration und Inflation.
Dies schlägt sich auch bei den Entscheidungen nieder. Den größten Ausschlag, AfD zu wählen, gab die Inflation. Auch die Energieversorgung und Sorge um Arbeitsplätze spielten eine wichtige Rolle.
Die größten Kompetenzwerte erreicht die Partei bei der inneren Sicherheit, kann jedoch auch in allen anderen Politikfeldern zulegen.
3. AfD: Stark bei Männern, schwach bei Rentnern
Bei den Altersgruppen kann die AfD bis zu den 60jährigen zweistellige Ergebnisse einfahren und zum Teil deutlich zulegen. Bei Rentnern und über 70jährigen dagegen schwächelt die Partei. Den deutlich höchsten Stimmanteil erreicht sie bei den 34 bis 44 Jahre alten Wählern.
Bei Männern hat es die Partei erfahrungsgemäß leichter. Das zeigt sich auch in Niedersachsen.
Überdurchschnittlich gute Ergebnisse kann die AfD bei den Arbeitern einfahren. Hier verdoppelt sie ihren ohnehin bereits starken Wert auf 24 Prozent. Schwach dagegen schneidet sie bei der großen Gruppe der Rentner ab.
4. Wirtschaftliche Lage: Die Stimmung kippt
Erstmals seit der Landtagswahl 2003 bewertet eine Mehrheit der Niedersachsen die wirtschaftliche Situation als schlecht (54 Prozent). Im Vergleich zur vergangenen Wahl ist das ein drastischer Anstieg von 37 Prozentpunkten.
Bei dieser Frage gibt es allerdings erhebliche Unterschiede innerhalb der Parteienreferenz. Am positivsten sehen demnach Wähler der Grünen und der SPD die wirtschaftliche Lage in Deutschland. Die AfD-Wähler schätzen die Lage, wie die der CDU, deutlich negativer ein.
Bürger, die ihre eigene Situation eher schlecht einschätzen, tendieren dabei neben CDU und SPD vor allem zur AfD, die bei dieser Gruppe deutlich über ihrem Durchschnittsergebnis liegt. Die Grünen schneiden bei dieser Wählergruppe dagegen deutlich schlechter ab.
5. SPD siegt dank Weil und Rentnern
Die SPD verliert zwar deutlich, bleibt jedoch vor der CDU. Das verdankt sie vor allem ihrem Spitzenkandidaten Stephan Weil. 67 Prozent der Wähler halten ihn für einen guten Ministerpräsidenten. Gegenüber seinem CDU-Herausforderer Bernd Althusmann hat er klar die Nase vorne.
Überdurchschnittlich gute Ergebnisse kann die SPD dabei einzig und allein bei den Alten vorzeigen. Während sie bei den bis zu 59jährigen unter ihrem Gesamtwert liegt, reißen insbesondere die über 70 Jahre alten Wähler das Ergebnis für die Sozialdemokraten heraus.
6. Die FDP verliert an alle Parteien
Die aus dem Landtag geflogene FDP steht vor keiner einfachen Wahlanalyse. Sie verliert als einzige Kraft an alle anderen Parteien, besonders jedoch an AfD und CDU. Sie verliert durch die Bank weg in allen Altersschichten und sozialen Gruppen.
7. Energie und Inflation bestimmen die Wahl
Wahlentscheidend waren für die Bürger in Niedersachsen vor allem die Themen Energieversorgung, Inflation und Klimaschutz. Aber auch Bildung und Arbeitsplätze spielten eine Rolle.
Die Energieversorgung war bei den Anhängern aller Parteien das bestimmende Thema. Einzige Ausnahme: die Grünen. Bei ihnen gaben 50 Prozent der Anhänger an, die Klimapolitik sei das wahlentscheidende Thema gewesen. Für sie spielen Preissteigerungen keine Rolle.
8. Nur Minderheit will Rußland-Sanktionen aufheben
Die Wähler in Niedersachsen stehen weitgehend hinter der Ukraine-Politik der Bundesregierung. Nur eine Minderheit (23 Prozent) spricht sich für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Rußland aus.
Klare Abweichungen gibt es in der Frage unter den Parteianhängern. Bis auf die AfD-Anhänger gibt es bei allen Parteien eine Mehrheit dafür, die Ukraine stärker zu unterstützen.
Daß Deutschland direkt in den Ukraine-Krieg involviert werden könnte, befürchten 54 Prozent aller Wähler. Hier sind AfD-Anhänger (77 Prozent) und die der CDU (55) überdurchschnittlich oft vertreten.
9. Mehrheit für AKW-Weiterbetrieb
Derzeit produzieren in Deutschland noch drei Atomkraftwerke Strom, darunter auch das niedersächsische AKW Emsland. Als einziges der drei ist es allerdings nicht für einen möglichen Streckbetrieb vorgesehen und soll definitiv am Ende des Jahres abgeschaltet werden. Beobachter sahen darin eine politische Maßnahme von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), um die eigene Klientel zu beruhigen. Nun zeigt sich: Eine klare Mehrheit der Niedersachsen hätte kein Problem damit, auch dieses Kraftwerk am Netz zu lassen.
Einen Blackout fürchten vor allem die Anhänger von AfD, CDU und FDP. Weniger Sorgen bereitet er den Grünen-Wählern.
10. Nichtwähler sind stärkste Kraft
Fast 40 Prozent der Wahlberechtigten zogen es vor, am Sonntag nicht zu wählen. Die Wahlbeteiligung sank um knapp drei Prozentpunkte auf rund 60,1 Prozent. (ho)