HAMBURG. Die Staatsanwaltschaft in Hamburg hat im Rahmen ihrer Cum-Ex-Untersuchungen auch das E-Mail-Postfach von Olaf Scholz (SPD) durchsucht. Wie das Hamburger Abendblatt berichtet, sollen Ermittler bereits im März einen Durchsuchungsbeschluß für das offizielle Dienstpostfach des damaligen Hamburger Ersten Bürgermeisters und jetzigen Bundeskanzler erhalten haben. Das geht aus Unterlagen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft hervor.
Demnach werden E-Mails, Kalendereinträge und Dateianhänge ab 2015 ausgewertet. In der so genannten Hamburger Cum-Ex-Affäre geht es um fingierte Finanztransaktionen, bei denen Nutznießer ungerechtfertigte Steuerrückzahlungen erhalten haben. Im Zentrum steht dabei die Hamburger Privatbank M. M. Warburg. Gegen deren Miteigentümer Christian Olearius hatte die Kölner Staatsanwaltschaft im Juli ein Klageverfahren beantragt. Sie wirft dem Ex-Bankchef Steuerhinterziehung in einem dreistelligen Millionenbereich vor.
Bankschließfach mit 214.800 Euro geöffnet
Olearius, der mit Scholz befreundet ist, wies die Vorwürfe von sich. Er habe nicht gewusst, daß bei zwei von der Bank betreuten Fonds illegalen Geschäften nachgegangen sei. Sein Anwalt betonte gegenüber dem WDR und der Süddeutschen Zeitung, dem Fiskus sei kein Steuerschaden entstanden. Ausstehende Forderungen habe die Bank mittlerweile beglichen. Tatsächlich überwies die Bank nach einer Anordnung des Landgerichtes Bonn 155 Millionen Euro an das Finanzamt.
Unklar ist bisher, wie weit die Bank in ihren Cum-Ex-Geschäften von politischer Seite gedeckt wurde. Eine Schlüsselrolle fällt womöglich dem ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten und Scholz-Vertrauten Johannes Kahrs zu. Gegen Kahrs und andere wird der Vorwurf der Begünstigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung geprüft. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Bankschließfach Kahrs mit der erheblichen Bargeldsumme von 214.800 Euro geöffnet. Auch gegen den jetzigen Bundeskanzler werden Vorwürfe laut.
47-Millionen-Euro-Forderung verschwindet nach Treffen
So traf sich Olearius mehrfach mit Scholz. Ausgerechnet auch in jener Zeit, als Steuerermittlungsbehörden eine Nachzahlung von 47 Millionen Euro für Cum-Ex-Geschäfte ab 2008 gegen die Warburg-Bank erhoben. Aus bisher nicht geklärten Gründen ließ der Fiskus wenig später, im November 2016, seine Forderungen fallen. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, inwiefern politischer Druck auf die Finanzermittler ausgeübt sein könnte. Auch von der jetzt bekannt gewordene Email-Durchsuchung erhofft sie sich Erkenntnisse.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, dementierte, von der Durchsuchung zu wissen. „Davon ist mir nichts bekannt“, sagte er dem Hamburger Abendblatt. „Es gibt auch nichts zu verbergen.“ Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss wird noch weitere Zeugen vernehmen. Am 19. August soll auch Bundeskanzler Scholz erneut über seine Rolle im Cum-Ex-Skandal aussagen. (JF)