BERLIN. Der Deutsche Bundestag könnte nach der Wahl Ende September so groß werden wie noch nie in seiner Geschichte. Fällt das Ergebnis des Urnengangs ähnlich aus, wie dies aktuelle Umfragen vorhersagen, ziehen mindestens 870 bis 940 Abgeordnete in das Parlament ein.
Laut Berechnungen des Steuerzahlerbundes bedeutet diese Zahl Mehrkosten in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro für die nächste Legislaturperiode, berichtet das Wirtschaftsmagazin Business Insider. Schon wenn die Zahl der Parlamentarier auf 800 wüchse, würde sich der Bundestag um mehr als 600 Millionen Euro verteuern.
Normgröße des Bundestags beträgt 598 Mandate
Aktuell ist er mit 709 Abgeordneten bereits das größte Parlament aller westlicher Demokratien. Im vergangenen Jahr kostete der Bundestag erstmals mehr als eine Milliarde Euro. „Jedes einzelne Mandat erzeugt unmittelbare Kosten von mehr als 750.000 Euro pro Jahr“, rechnete der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, damals vor.
Die Normgröße des Bundestags beträgt eigentlich 598 Mandate. Bereits vor einem Monat warnte der Wahlrechtsexperte der Bertelsmann-Stiftung, Robert Vehrkamp, die Zahl der Abgeordneten könnte demnächst auf bis zu 1.000 anwachsen. „Ein zu großer Bundestag verschlechtert die Qualität des Politikbetriebs“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler der Deutschen Presse-Agentur. Dies könne auch die Regierungsbildung beeinflussen. „Je größer die Fraktionen, umso schwerer könnte es werden, knappe Mehrheiten zu organisieren und für die Dauer der Legislaturperiode stabil zu halten.“
Grünen könnten Abgeordnetenzahl von 67 auf 174 steigern
Nach den jüngsten Umfrageergebnissen der Meinungsforschungsinstitute Forsa und Insa würde die Union von den aktuell 245 Sitzen weniger als 200 behalten. Die SPD erhielte fast 250 Mandate und damit nicht ganz 100 mehr als jetzt. Die Grünen könnten bis zu 174 Abgeordnete in den Bundestag entsenden, aktuell sind es 67.
Die AfD erhielte 105 bis 113 Sitze und damit mehr als 2017, obwohl sie in den Umfragen leicht hinter dem Ergebnis von vor vier Jahren liegt. Allerdings würde die AfD ein bis zwei Mandate verschenken, da ihre Landesliste in Baden-Württemberg nur zwölf Plätze umfaßt, die Partei aber 13 oder 14 Abgeordnete aus dem südwestlichen Bundesland nach Berlin schicken könnte.
Die FDP würde ihre Abgeordnetenzahl von aktuell 80 auf bis zu 133 erhöhen. Lediglich die Linkspartei, die aktuell über 69 Mandate im Bundestag verfügt, könnte nach der Wahl mit 62 weniger Abgeordnete stellen als jetzt.
Union und SPD hatten im vergangenen Jahr eine Wahlrechtsreform beschlossen, die die Zahl der Parlamentarier senken sollte. Aus Sicht der Opposition und mehrerer Experten geht die Änderung jedoch nicht weit genug. Im August scheiterten FDP, Linkspartei und Grünen mit einem Eilantrag gegen die Reform vor dem Bundesverfassungsgericht. (ls)