BERLIN. Der Bundesvorstand der AfD hat dem Brandenburger Landesverband mit Ordnungsmaßnahmen gedroht, sollte der aus der Partei ausgeschlossene Andreas Kalbitz weiterhin bei AfD-Veranstaltungen auftreten. „Der Landesverband Brandenburg und die Untergliederungen, die Herrn Kalbitz als Redner geladen und haben auftreten lassen, haben damit dem öffentlichen Ansehen der AfD erheblich geschadet und gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen“, heißt es in einem Beschluß des obersten Parteigremiums. Sollte sich dies wiederholen, drohe der Vorstand mit Ordnungsmaßnahmen gegen einzelne Verbände.
Chrupalla stimmt für Drohung mit Ordnungsmaßnahmen
Ein Sprecher des Brandenburger AfD-Landesverbandes sagte am Freitag der JUNGEN FREIHEIT, der Landesvorstand habe den Beschluß zur Kenntnis genommen und werde sich am Wochenende über das weitere Vorgehen auf seiner Sitzung verständigen. Wie die JF aus Parteikreisen erfuhr, fiel der Beschluß des Bundesvorstandes mit großer Mehrheit. Es wird aufmerksam registriert, daß Ko-Parteichef Tino Chrupalla und Stephan Protschka, die einst gegen die Annullierung der Parteimitgliedschaft von Kalbitz votiert hatten, nun der Drohung an den Landesverband Brandenburg zustimmten. Alice Weidel ließ sich entschuldigen und so blieb es bei einer Gegenstimme des Thüringers Stefan Brandner.
Hintergrund des Beschlusses von Anfang der Woche sind mehrere Auftritte von Kalbitz bei Veranstaltungen des Brandenburger Landesverbandes sowie anderen Verbänden in dem Bundesland. Der frühere Brandenburger Landes- und Fraktionschef Kalbitz strebt Gerüchten zufolge eine Bundestagskandidatur an.
Personalie Kalbitz sorgt auch in Brandenburg für Streit
Wie die JUNGE FREIHEIT Anfang Februar exklusiv berichtete, warnten Mitglieder der Partei den Bundesvorstand davor. Ein Brandenburger AfD-Mitglied schrieb: Er mache sich „große Sorgen um das öffentliche Ansehen der Partei und ihre Glaubwürdigkeit“. Nach seinen Informationen gebe es AfD-Mitglieder, die Kalbitz für die Bundestagswahl im Wahlkreis 65 (Elbe-Elster – Oberspreewald-Lausitz II) aufstellen wollten. Auch ein anderes Mitglied hatte zuvor gefordert, die Kreisverbände Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster „in den Fokus“ zu nehmen. Kalbitz hatte sich damals auf Anfrage nicht zu den Berichten über eine mögliche Kandidatur geäußert.
Die Personalie Kalbitz sorgt unterdessen aber auch in Brandenburg für Streit. Ein Brandenburger AfD-Politiker äußerte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT die Befürchtung, es könnten im Falle einer Kalbitz-Kandidatur vor allem kommunale Mandatsträger der Partei abspringen: „Die Leute wollen Sachpolitik machen.“ Die Stimmungslage in den 18 Kreisverbänden des Landes sei geteilt. „Ich schätze, daß es etwa 50:50 für beziehungsweise gegen Kalbitz steht“, ergänzte der AfD-Funktionär. Ein anderer AfD-Politiker warnte: „Es ist doch klar, daß sich dann alles nur noch um die Person Kalbitz dreht. Den inhaltlichen Wahlkampf für Brandenburg können wir dann einstellen.“
Der Landtagsabgeordnete Daniel Freiherr von Lützow hatte zuvor gesagt, er sehe die potenzielle Kandidatur skeptisch und könne diese nicht gutheißen. „Die Kandidatur spaltet regelrecht den Landesverband.“ Als Landesvorstand werde und könne er sich nicht äußern, aber als Mitglied schon. „Wenn Andreas (Kalbitz, Anm. JF) dann kandidiert, reißt er mit seinem Hintern alles ein, was wir gemeinsam in den letzten Jahren aufgebaut haben.“
Kalbitz polarisiert in Sachsen
Der Bundesvorstand hatte Kalbitz im Mai vergangenen Jahres die Mitgliedschaft aberkannt und dies damit begründet, daß er bei seinem Eintritt in die AfD eine frühere Mitgliedschaft in der inzwischen verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) und bei den Republikanern verschwiegen habe. Hiergegen hat Kalbitz juristische Schritte eingelegt, scheiterte jedoch bislang in zwei Instanzen vor Gericht.
Auch auf dem Parteitag der sächsischen AfD zur Listenaufstellung für die Bundestagswahl am vergangenen Wochenende war Kalbitz Thema. „Andreas Kalbitz gehört für mich immer noch zur Partei“, sagte der Bundestagsabgeordnete Jens Maier, der auf Listenplatz zwei hinter AfD-Chef Tino Chrupalla gewählt wurde. „Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt.“
Der Listenparteitag sei ein „Durchmarsch“ des offiziell aufgelösten und zuletzt bundesweit etwas gefleddert erscheinenden „Flügels“ gewesen, räumte ein innerparteilicher Kritiker dieser Richtung zerknirscht ein. Daß das liberalkonservative Lager in Dresden unbedacht blieb, mag der Vergangenheitsbewältigung geschuldet sein. 2017 trat man „gemischter“ an; unter anderem mit der Parteichefin als Spitzenkandidatin. Doch Frauke Petry war gleich am Tag nach der Wahl von der Fahne gegangen. Später verließen auch Verena Hartmann und Lars Herrmann die Fraktion. Von den sechs Ex-AfDlern im Bundestag stammt die Hälfte aus Sachsen. Das will man offenbar in Zukunft partout verhindern, und so wurden personell die Kinnriemen straff gezogen.
Görlitzer Stadtrat verläßt AfD: „Entsetzt von dem unerträglichen Rechtsruck“
Wenige Tage nach dem sächsischen Parteitag verließ der Görlitzer AfD-Stadtrat Torsten Koschinka die AfD. Er habe an der Aufstellungsversammlung am vergangenen Wochenende teilgenommen und sei „entsetzt von dem unerträglichen Rechtsruck, den der Landesverband Sachsen der AfD mit der Wahl der durchweg dem offensichtlich nicht aufgelösten ‘Flügel’ zugehörigen Kandidaten für die Bundestagswahl 2021 vollzogen hat“. Die Reden der gewählten Kandidaten seien „ein Schlag ins Gesicht eines jeden aufrechten Demokraten“, konstatierte der Richter.
Auch an der Basis in Sachsen sorgt die mögliche Kalbitz-Kandidatur für Protest. Der Direktkandidat eines Wahlkreises schrieb an den Bundesvorstand: „Gerade die noch unentschlossenen Wähler werden wir damit bundesweit keinesfalls für unsere Partei gewinnen. Die Personalie Kalbitz ist keine Brandenburger Angelegenheit, sondern wird sich, im Fall einer Direktkandidatur von Andreas Kalbitz, negativ auf den gesamten Bundestagswahlkampf der AfD auswirken. Ich bitte dies dringend zu bedenken.“ (ls/vo)