Anzeige
Anzeige

Debatte um „Hetzjagden“: Grünen-Politikerin will Verfassungsschutz neu gründen

Debatte um „Hetzjagden“: Grünen-Politikerin will Verfassungsschutz neu gründen

Debatte um „Hetzjagden“: Grünen-Politikerin will Verfassungsschutz neu gründen

Irene Mihalic (Grüne)
Irene Mihalic (Grüne)
Irene Mihalic (Grüne): Fordert „klare Zäsur“ Foto: picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa
Debatte um „Hetzjagden“
 

Grünen-Politikerin will Verfassungsschutz neu gründen

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic hat eine Schließung und Neugründung des Verfassungsschutzes gefordert. Grund dafür sind die Äußerungen des Inlandsgeheimchefs, Hans-Georg Maaßen, über die Proteste in Chemnitz. Es brauche jetzt „eine klare Zäsur und einen Neustart“. CDU- und SPD-Politiker forderten Aufklärung.
Anzeige

BERLIN. Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic hat eine Schließung und Neugründung des Verfassungsschutzes gefordert. Grund dafür sind die Äußerungen des Inlandsgeheimchefs, Hans-Georg Maaßen, über die Proteste in Chemnitz. Es brauche jetzt „eine klare Zäsur und einen Neustart“, sagte Mihalic den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Die Bundesregierung sollte jetzt ein personell und strukturell völlig neues Bundesamt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr gründen, das mit nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeitet“, forderte die Bundestagsabgeordnete. Die neue Behörde solle sich allein auf die nachrichtendienstliche Arbeit konzentrieren. Daneben brauche es ein unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung.

Maaßen widerspricht „Hetzjagd“-Darstellungen

Maaßen hatte am Freitag in der Bild-Zeitung der Darstellung widersprochen, wonach es bei Demonstrationen in Chemnitz zu „Hetzjagden“ auf Einwanderer gekommen sei. Dem Verfassungsschutz lägen „keine belastbaren Informationen darüber vor, daß solche Hetzjagden stattgefunden haben“, sagte Maaßen. „Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz wird von mir geteilt.“ Zudem stellte er die Authentizität eines Video in Frage, in dem mehrere Männer zwei ausländisch aussende Personen nahe des Johannisplatzes im Zentrum von Chemnitz angehen und kurz hinterherrennen.

Mehrere Politiker forderten daraufhin, daß der Chef des Inlandsgeheimdienstes durch Parlamentarier befragt werden und im Geheimdienstgremium des Bundestages für Aufklärung sorgen soll. „Präsident Maaßen wird nun erklären müssen, wie er zu seiner Bewertung kommt und warum er sie medial kundgetan hat“, sagte der CDU-Sicherheitspolitiker Sensburg dem Handelsblatt. „Sollten eingestufte Erkenntnisse die Grundlage sein, hat er kommende Woche im Parlamentarischen Kontrollgremium die Gelegenheit, diese den Abgeordneten darzustellen.“ Zuvor hatte bereits SPD-Chefin Andreas Nahles gesagt, ihre Partei wolle das Gremium kommende Woche einberufen.

Ministerpräsident Weil zweifelt an Verfassungsschutzchef

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) äußerte Zweifel an Maaßen. „Bei mir mehren sich die Fragezeichen“, stellte Weil in den Blättern der Funke-Mediengruppe klar. Daß Maaßen an „Hetzjagden“ auf Ausländer in Chemnitz zweifele und gezielte Falschinformationen vermute, ohne Beweise vorzulegen, sei irritierend: „Ansonsten schürt er mit solchen Äußerungen den Verdacht, dass er sich schützend vor Rechtsextreme stellt.“

Polizeigewerkschaften rufen zur Mäßigung in Debatte auf

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat unterdessen zur Mäßigung in der Debatte über angebliche „Hetzjagden“ aufgerufen. „Es hat keine Hetzjagd per Definition gegeben, also dass da bewaffnete Menschen ihre Opfer durch die Straßen jagen, aber es war keineswegs eine friedliche Veranstaltung“, sagte GdP-Chef Oliver Malchow der Neuen Osnabrücker Zeitung. Es habe Beleidigungen, Körperverletzungen und Hitlergrüße gegeben.

„Politiker sollten sich bei heiklen Themen erst dann äußern, wenn verlässliche Informationen vorliegen. Alles andere ist kontraproduktiv und führt nur zu Fehlinterpretationen“, forderte Malchow. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, verdeutlichte: „Mit dem Begriff Hetzjagd ist Schindluder getrieben worden. Es wäre gut, wenn sich alle Politiker mal eine Woche zurückhalten würden und sich einen zurückhaltenden Sprachgebrauch auferlegen.“

Politiker, Wissenschaftler und Journalisten widersprechen

Über den Begriff „Hetzjagd“ wird seit dem ersten Protest am Nachmittag des letzten Sonntags im August debattiert, als sich mehrere Hundert Demonstranten zu Spontanprotesten zusammentaten und durch die Chemnitzer Innenstadt zogen. Grund dafür war eine tödliche Messerattacke auf einen deutschen Familienvater durch mutmaßlich drei Flüchtlinge. Am Montag darauf hatte auch die Bundesregierung den Begriff verwendet. Zuletzt hatte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Arnold Vaatz (CDU), Regierungssprecher Steffen Seibert für die Verwendung des Begriffs kritisiert.

Sowohl die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) als auch die in Chemnitz ansässige Zeitung Freie Presse widersprachen Bundesregierung und mehreren Medien, wonach es „Jagdszenen“ und „Hetzjagden“ gegeben habe. Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt forderte die Bundesregierung auf, Widersprüche aufzuklären zwischen ihrer Aussage, es habe „Hetzjagden“ auf Ausländer in Chemnitz gegeben, und der gegenteiligen Aussage der Polizei. (ls)

Irene Mihalic (Grüne): Fordert „klare Zäsur“ Foto: picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

aktuelles